Im Jagdkalender stellt die Drückjagd zweifelsfrei eines der großen Ereignisse des Jahres dar. Die Drückjagd ist ein Parkett, auf dem man alle Elemente des weidmännischen Handwerks beherrschen muss, um zu glänzen und Strecke zu machen. Will man bei einer Drückjagd erfolgreich sein, reicht es nicht, „nur“ ein versierter Schütze zu sein.
Wachsam verweilt man auf seinem Stand, um dann genau im richtigen Moment blitzschnell zu reagieren und den perfekten Schuss anzutragen. Gleichzeitig kommt aber auch die Geselligkeit – der Gegenpol quasi zum stillen Warten auf den Anblick – nicht zu kurz. Sie findet ihren Gipfel in einem abschließenden Schüsseltreiben. Um am Ende des Tages als angesehener Jagdkönig nachhause gehen zu können, muss man nicht nur ein geübter Schütze sein, der einen exzellenten Umgang mit seiner Waffe pflegt, sondern genauso mit den ungeschriebenen Regeln und Gepflogenheiten einer Drückjagd vertraut sein. Ist man bereits ein erfahrener Jäger und regelmäßiger Gast bei Drückjagden, ist einem das womöglich bereits in Fleisch und Blut übergegangen. Als Jungjäger hingegen betritt man oftmals Neuland.


Sei verbindlich!
Wenn sich der Sommer zu Ende neigt, beginnen seitens der Veranstalter bereits die ersten Vorbereitungen für die Drückjagd. Einladungen werden ausgesendet; Treiber und Hundeführer müssen organisiert werden und im Revier warten eventuell Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten, um die Drückjagdböcke wieder auf Vordermann zu bringen. Alles intensive und zeitaufwändige Arbeiten, die da im Vorfeld erledigt werden müssen, um einen reibungslosen Jagdtag zu ermöglichen. Das Gebot der Stunde für den Jagdgast sollte daher Verbindlichkeit lauten: also zeitnah zu- bzw. absagen und auch bald genug Bescheid geben, wenn man etwa am Schüsseltreiben nicht teilnehmen kann.
Das sorgt beim Gastgeber für zusätzliche Planungssicherheit. Am Jagdtag selbst sollte man gut vorbereitet erscheinen. Das umfasst sowohl die zeitige Anreise als auch, dass man seinen Jagdschein und seine Ausrüstung stets griffbereit hat, um unnötige Verzögerungen zu vermeiden.
Nicht jede Drückjagd ist gleich. Es ist also essenziell, der Ansprache des Jagdleiters zuzuhören, bevor man vom Ansteller zu seinem Stand gebracht wird. Gibt es geografische Besonderheiten? Von wann bis wann wird gejagt? Was ist freigegeben? Gibt es weitere Fragen, sollte man sie gleich stellen, denn später im Wald herrscht absolute Ruhe, um das Wild nicht schon vor der eigentlichen Jagd zu beunruhigen.
Auf dem Stand

Hilfreich ist es auch im Kopf mögliche Szenarien, die im Lauf des Tages eintreten könnten, durchzugehen. Das umfasst etwa eine Zonierung des Umfeldes in Ansprech-, Schuss- und Sicherheitszone und dem Ausschauhalten nach einem geeigneten Kugelfang. Nur natürlich gewachsene Böden kommen dafür in Frage. Ein Entfernungsmesser leistet hierbei hervorragende Dienste. Ebenso sollte man sich Zwangswechsel oder ausgetretene Wechsel gut einprägen. Die Chance, dass hier mehrfach Wild anwechselt, ist ungemein höher. Verendet ein Stück auf einem Wechsel, kann sich das im weiteren Verlauf auf später anwechselndes Wild auswirken. Entweder es verhofft dadurch länger oder es ergreift noch panischer die Flucht.
Ansprache und Schuss

So kann man etwa nach dem Mittagessen einen gewissen Konzentrationsabfall feststellen, aber auch Regen und raues Wetter vermindern die Leistungsfähigkeit und können zu einer verzögerten Schussabgabe führen. Im Hinterkopf sollte man stets die jeweilige Freigabe des Tages behalten, denn nicht immer kann man etwa die Altersklasse des Wildes zweifelsfrei erkennen, wenn das Wild nur kurz in den Anblick kommt. Hier gilt unbedingt der Grundsatz: „Was du nicht kennst, das schieß’ nicht tot.“ Nicht nur, ob man Anblick haben wird und wenn ja, in welchem Ausmaß, macht die Drückjagd so reizvoll, sondern vielmehr, dass der Schuss bei einer Bewegungsjagd hohes jagdliches Geschick vom Schützen erfordert. Mit schwingendem Lauf einen präzisen Schuss anzutragen ist ungemein schwieriger als mit aufgelegter Waffe bei der Ansitzjagd. Um das Wild weidgerecht zu erlegen, sollte ein Schuss immer auf das „Blatt“ abgegeben werden. Im Idealfall sitzt der Schuss dann etwa eine Handbreite hinter dem Schulterblatt, allerdings muss man sich darauf einstellen, dass das Wild nicht immer exakt im 90° Winkel anwechselt. Je stärker der Winkel zwischen Schussbahn und Wild, umso kleiner wird die Fläche, die einen tödlichen Schuss ermöglicht.
Der Schuss auf halbspitz oder gar spitz stehendes Wild ist deshalb unbedingt zu unterlassen. Neben der geringen Trefferfläche verletzen solche Schüsse unweigerlich den Pansen bzw. Weidsack und die Keulen, wodurch die Stücke entwertet werden. Absolutes Tabu sind „Kunstschüsse“ jedweder Art, wie etwa der berühmte Schuss „hinter den Teller“ oder auf das Haupt des Wildes.
Die Geschwindigkeit, in der das Wild anwechselt, variiert und ist neben dem richtigen Vorhaltemaß der zweite wichtige Faktor, der zum Erfolg bei der Drückjagd beiträgt. Schwarzwild trollt etwa mit 20 km/h, kann aber, wenn es von Hunden gehetzt wird, bis zu 50 km/h erreichen. Wie weiter oben erwähnt, ist es deshalb essenziell, sich mit der Umgebung vertraut zu machen, um Entfernungen zügig einschätzen zu können. Hier kann es helfen, wenn man am Beginn der Jagd die Umgebung ausmisst und sich die Entfernung zu markanten Punkten einprägt. Ebenso wichtig ist es, sich mit den Eigenschaften der Munition vertraut zu machen.

Nach dem Treiben
Nach konzentrierten Stunden auf dem Stand, in denen man im besten Fall guten Anblick hatte und auch Strecke machen konnte, endet das Treiben zu der vom Jagdleiter angegebenen Uhrzeit, manchmal wird der Trieb auch von den Treibern abgeblasen. Bevor man nun den Stand verlässt und es zurück zum Streckenplatz geht, müssen noch einige wichtige Formalia erfüllt werden. Unbedingt muss darauf geachtet werden, dass das Standprotokoll sauber und gewissenhaft ausgefüllt ist. Auf welches Stück Wild wurde wann und wo geschossen? Am leichtesten behält man hier den Überblick, wenn man sich die Anzahl der Patronen, mit denen man den Stand bezieht, im Vorhinein notiert. Wichtig ist es außerdem, vermeintliche Anschüsse festzuhalten und diese so gut wie möglich zu dokumentieren. Ein Foto mit dem Handy kann hier gute Dienste erweisen, da es die genaue Uhrzeit mitspeichert. Je genauer die Angaben, desto schneller kann die Nachsuche von Statten gehen.
Immer wieder versuchen Jäger, Anschüsse zu unterschlagen. Wie im übrigen Leben gilt aber auch bei der Jagd das Sprichwort „Ehrlich währt am längsten“, denn nicht gemeldete Abschüsse kommen in der Regel immer ans Licht. In dieser letzten Phase des Treibens ist von allen Teilnehmern noch einmal Konzentration gefordert. Bis das Wild geborgen und verladen ist, sollte man sich noch nicht in Erlebnisschilderungen verlieren – diese sind dem Streckenplatz vorbehalten. Wildbret ist ein hochwertiges Lebensmittel und sollte deshalb auch unbedingt so behandelt werden. Das heißt, je schneller das Wild in die gekühlte Wildkammer kommt, desto besser. Jede helfende Hand ist hier gefragt. weidgerecht zu erlegen, sollte ein Schuss immer auf das „Blatt“ abgegeben werden. Im Idealfall sitzt der Schuss dann etwa eine Handbreite hinter dem Schulterblatt, allerdings muss man sich darauf einstellen, dass das Wild nicht immer exakt im 90° Winkel anwechselt. Je stärker der Winkel zwischen Schussbahn und Wild, umso kleiner wird die Fläche, die einen tödlichen Schuss ermöglicht.
Am Streckenplatz
Auf die fordernden Stunden am Stand folgt dann der gesellige Teil einer Drückjagd am Streckenplatz, bei dem ganz die jagdliche Tradition im Fokus steht. Sobald die Strecke gelegt ist, werden die Jäger und anderen Gäste zur Strecke gebeten. Die Aufstellung erfolgt so, dass Jagdleiter wie Schützen dem erlegten Wild in die Lichter blicken können. Gegenüber stehen die Bläser und dahinter die Treiber. Es wird nun offiziell die Strecke gemeldet und der Jagdleiter hält meist eine kleine Ansprache, in der er den Jagdtag Revue passieren lässt. Beim Streckelegen sollten alle Teilnehmer möglichst im jagdlichen Grün erscheinen, rote Signalkleidung wird diesem respektvollen Abschluss nicht gerecht.

Jagdkönig und Schüsseltreiben
Die Prämierung des Jagdkönigs bildet die sprichwörtliche Krönung einer jeden Drückjagd. Dabei wird derjenige ausgezeichnet, der entweder die meisten Stücke oder die in der Wertigkeit am höchsten Stehenden erlegt hat. Oft gibt es eine kleine Erinnerung für den Jagdkönig in Form eines Hutabzeichens oder einer Kette. Auch hier variieren die Bräuche von Region zu Region. Die Krönung ist nicht nur eine Würdigung für die erbrachte jagdliche Leistung, sondern bringt einige Aufgaben und Funktionen mit sich. So darf der Jagdkönig eine Rede halten, die bei einem solchen Ereignis einen hohen Stellenwert besitzt. Neben Dankesworten an die Jagdleitung, die die Jagd organisiert hat, gehört es auch zum guten Ton, sich bei all jenen erkenntlich zu zeigen, die für einen reibungslosen Ablauf über den Tag hinweg gesorgt haben. Dazu gehören vor allem die Treiber und Hundeführer, aber auch Helfer wie Fahrer oder das Küchenteam, wenn zu Mittag gemeinsam gegessen wurde. Schön abrunden kann man eine solche Rede, wenn man die Zuhörer am eigenen Jagderfolg teilhaben lässt, indem man von seinem Jagdtag berichtet. Ebenfalls zum guten Ton gehört es, beim abendlichen Schüsseltreiben die anwesende Jägerschaft auf eine Getränkerunde einzuladen.
Für Jungjäger wird die erste Drückjagd ein Erlebnis sein, dass sie so schnell nicht vergessen werden. Aber auch für erfahrene Jäger, die schon an unzähligen Drückjagden teilgenommen haben, ist ein solcher Tag nach wie vor ein Höhepunkt im Jagdjahr, denn in keiner anderen Form der Jagd tritt so lebendig zu Tage, was alle Weidmänner über Generationen hinweg verbindet, wie bei einer Drückjagd. ❄️
TEXT: David Mehlhart
FOTOS: Sarovski, Markus Zeiler