Dass sich für die Hüttenjagd die Verwendung einer Eule und ganz besonders des Uhus – auch „Auf“ genannt – im Laufe der Jahrhunderte durchgesetzt hat, liegt an einem erstaunlichen Phänomen, das Eulenvögel untertags bei anderen Vögeln hervorzurufen vermögen – sie „hassen“ auf sie. Erstmals 1963 von Konrad Lorenz geprägt, beschreibt der Begriff – oder auch das aus dem Englischen abgeleitete und mittlerweile in den zwischenmenschlichen Gebrauch übergegangene „Mobbing“ – den gemeinschaftlichen (Schein-)Angriff auf einen Fressfeind oder überlegenen Gegner. Dadurch soll die Bedrohung zermürbt und letztlich in die Flucht geschlagen werden. Im Falle von Vögeln beinhaltet das „Hassen“ Flugattacken, aufgeregtes Geschrei, um Verstärkung anzulocken, und den Versuch, den Gegner zu bekoten.
Warum ausgerechnet die Eulen so verhasst sind, ist Thema etlicher wissenschaftlicher Abhandlungen. Auslöser für das feindliche Verhalten der Angreifer ist jedenfalls das sog. „Eulenschema“. Dieses basiert auf einer massigen Kontur, einem runden Kopf mit nach vorne gerichteten Augen und Schnabel, einem kurzen Schwanz sowie einer braunen oder grauen Farbe mit in Flecken oder Streifen gemusterter Oberfläche. Da es sich bei Eulen um nachtaktive Räuber handelt, lässt der Anblick dieses Typus untertags vermuten, dass hier eine Eule ungeschützt schläft. Dieswiederum nutzen die tagaktiven Vögel aus, um sie zu verunsichern und zu verjagen. Dabei gilt: Je größer der Lockvogel, desto größer die anhassenden Vögel. Mit dem Uhu als größter heimischer Eule ließen sich so die für Jäger interessantesten Vogelarten wie Krähen oder aber auch Greifvögel anlocken.
Da sich bei diesen Mobbing-Attacken der Fokus der Angreifer auf das verhasste Objekt richtet, kam der Mensch schon früh auf die Idee, dies für jagdliche Zwecke auszunützen. So beschrieb bereits Aristoteles im 4. Jahrhundert vor unserer Zeit die Praxis, sich verschiedener Vögel als Lockmittel zu bedienen. Besonders die Eulen nennt er als dafür geeignet. Sie wurden dazu auf eine Jule oder ein kleines Polster gebunden und gut sichtbar aufgestellt – die zu bejagenden Vögel ließen nicht lange auf sich warten. Im Hintergrund hatten die Vogelsteller bereits die Äste naher Bäume mit Leim bestrichen und auch ebenso klebrige Stangen zur Hand. Der für die aufgeschreckten Vögel unsichtbare Leim wurde ihnen zum Verhängnis, wenn sie sich unter lautem Geschrei auf den klebrigen Sitzgelegenheiten in der Nähe niederließen. Obgleich viel antikes Gedankengut im Laufe des Mittelalters verlorenging und später erst mühsam wiederentdeckt werden musste, blieb der Vogelfang mit Hilfe von Eulenvögeln gewohnte, weil bewährte und nie aus der Mode gekommene Praxis. So fand sie auch um 1200 im berühmten Falkenbuch Kaiser Friedrichs II. – einem bis in die Neuzeit grundlegenden Werk für die Falknerei – in Form einer Illustration Eingang: Ein Uhu wird von Nebelkrähen und Alpendohlen angehasst. Dieses Motiv lässt sich auch in anderen mittelalterlichen Büchern und
Kunstwerken fernab von Athenekult, Vogelkunde und Jagdmethodik als launige wie symbolische Szene finden. So konnte die Eule inmitten hassender Vögel als Symbol der zu Unrecht Verfolgten und im weiteren Sinne auch als Christussymbol gesehen werden – wurde doch dieser vor Pilatus ähnlichem Spott ausgesetzt wie die Eule inmitten anderer Vögel.
Jagdanleitungen, wie man den Lockvogel am besten positionieren und sich den Angreifern nähern sollte, sind ebenso Thema mittelalterlicher Schriften.
Originell scheint die Idee eines tragbaren Strohmantels in einer Publikation aus dem Jahr 1501, in dem sich der Jäger als wandelnder Heuschober unerkannt an seine Beute anschleichen können sollte. Auch Conradus Gesnerus beschreibt in seinem berühmten Vogelbuch von 1557 die Jagd mittels Uhus – dem „Kutzen“ auf dem „Kloben“. Letzterer bestand aus zwei Hölzern, die mit einer Schnur zusammengezogen werden konnten. Ließ sich ein hassender Vogel darauf nieder, konnte er eingezwickt und somit gefangen werden.
Mit dem Aufkommen von Schusswaffen zu jagdlichen Zwecken wandelte sich auch die Jagdmethode mittels Lockeule – der Leim hatte ausgedient. Nun verbarg sich der Schütze in einer der Jule nahen, oftmals in den Boden eingelassenen Hütte, um von seiner geschützten Lage aus auf den hereinbrechenden Schwarm hassender Vögel zu schießen.
Besonders im 19. Jahrhundert erfreute sich die Hüttenjagd zunehmender Beliebtheit. Und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts widmeten sich Autoren und Redakteure von Fachzeitschriften bis hin zum Boulevard dem Thema. Wenngleich manchmal nicht unbedingt schmeichelhaft, etwa wenn die Hüttenjagd als ideal für „Staatshämorrhoidare, Rheumatiker und Schießliebhaber aus der Stadt“ angepriesen wurde.
Die regelmäßige Aushorstung, um an den Hütten-„Auf“ zu gelangen und deren meist nicht lange Überlebensdauer blieb nicht ohne Folge für die Uhubestände. 1934 gab es etwa im gesamten deutschen Reich weniger als 100 Brutpaare, in den 1960ern wurden gar nur mehr rund 40 Paare in Bayern, Sachsen und Thüringen gezählt.
Der Uhu war in weiten Teilen Europas ausgestorben, letzte Rückzugsorte fanden sich meist nur noch im Hochgebirge. Um diese letzten Bestände zu schützen, wurde die Hüttenjagd mit lebendem Uhu in vielen Ländern verboten – in Niederösterreich ist sie bis heute erlaubt.
Mittlerweile haben sich die Uhubestände dank weitläufiger Aufzucht- und Auswilderungsprogrammen wieder erholt, sein Bestand gilt aber noch immer nicht wieder als gesichert.
Wer heute bei der Krähenjagd auf das feindliche Lockbild setzen möchte, der kann dies mittels einer Uhu-Attrappe aus Kunststoff tun. Die Verwendung des freundlichen Lockbilds sei ihm aber ans Herz gelegt. Dieses mag zwar im Aufbau etwas aufwändiger sein, führt aber bei den bejagten Tieren zu weniger Stress und mildert die Gefahr, dass sich geschützte Vogelarten unter den mobbenden Schwarm mischen.
Text & Illustrationen:
Eva Weiler
Literatur:
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