Einzigartige Entdeckung
Eines Tages geht ein deutsches Urlauberehepaar in den Bergen wandern. Was sich vielleicht wie die Einleitung zu einem mehr oder eher minder geistreichen Stammtischwitz über den nördlichen Nachbarn anhört, stellt den Beginn einer der sensationellsten archäologischen Entdeckungen weltweit dar. Auf ihrer Tour durch die Ötztaler Alpen entdeckten Helmut und Erika Simon im September 1991 nämlich die vom stark abgeschmolzenen Gletscher am Tisenjoch freigegebenen Überreste eines Mannes, den sie zunächst für einen verunglückten Bergsteiger hielten.
Die Reste der einst gewaltigen Eismassen waren jedoch hartnäckig und so kam es zu mehreren – gelinde gesagt ruppigen – Bergungsversuchen, welche den Einsatz von Presslufthammer und Eispickel sowie einen höchstpersönlich mittels Skistock herumstochernden Reinhold Messner beinhalteten. Quasi als Entschädigung für die unsanfte Behandlung, bei der es zu einer Verletzung des Eismannes an der linken Hüfte kam, wurde ihm ein Helikopterflug vom auf 3.210 Metern Seehöhe gelegenen Hochgebirgspass ins Tal hinunter spendiert. Von dort aus wurde der mumifizierte Leichnam in die Innsbrucker Rechtsmedizin verfrachtet, wo die erstmalige Begutachtung durch einen archäologischen Experten eine gewaltige Überraschung für alle Beteiligten bereithielt. Wie die charakteristische Eigenart des bei ihm gefundenen Beils dem geschulten Auge auf den ersten Blick verriet, stammt der Mann vom Similaun nämlich aus der Kupfersteinzeit! Zudem stellt er aufgrund seines guten Erhaltungszustands gemeinsam mit den ebenfalls in der Kälte konservierten Bekleidungsresten sowie Werkzeugen einen einmaligen Fund mit riesigem wissenschaftlichen Potenzial dar.
Eine etwas später durchgeführte Radiokarbondatierung bestimmte das Alter der Gletschermumie dann auf 3350 bis 3100 Jahre v. Chr. Zu dieser Zeit war die Menschheit zwar größtenteils schon im Rahmen der neolithischen Revolution sesshaft geworden und gewöhnte sich allmählich an die Verarbeitung von Kupfer und anderen Metallen, auf eine regelrechte Hochkultur mit komplexen Gesellschaften und einer Schrift als Kerncharakteristikum musste man zumindest in Europa jedoch noch lange warten. Die Minoer auf Kreta erbrachten solche Leistungen gegen 2300 vor unserer Zeitrechnung erstmals innerhalb der Grenzen unseres Kontinents. Wem das als Einordnung immer noch zu abstrakt ist, kann daran denken, dass sich die Schöpfer der berühmten Steinkreise von Stonehenge frühestens erst ca. hundert Jahre nach dem Ableben des ältesten erhaltenen Alpenbewohners an die Durchführung ihres Großprojektes machten. Ungefähr zur selben Zeit sah das ferne Ägypten den Aufstieg der ersten Pharaonen.
Eine Mumie als Grenzgänger
Der Erkenntnis von der bahnbrechenden Entdeckung folgte ein weltweites Medienecho, in dessen Verlauf sich die Presseleute mehr als 500 verschiedene, teils sehr skurrile Bezeichnungen für die Gletschermumie einfallen ließen. In einem Artikel der Wiener Arbeiter-Zeitung wurde aber noch im selben Jahr der bis heute gängigste Name geprägt: Ötzi. Dieser auf die Fundregion hinweisende Spitzname ist leicht zu merken, klingt freundlich und geht vor allem schneller von der Zunge als die per Beschluss der Südtiroler Landesregierung offiziell festgelegte Bezeichnung „Der Mann aus dem Eis“ bzw. „L’Uomo venuto dal ghiaccio“.
Diese Entscheidung wurde in Bozen und nicht Innsbruck oder Wien gefällt, da Ötzi nicht wie zuerst angenommen auf österreichischem Staatsgebiet, sondern im unter italienischer Kontrolle stehenden Südtirol gefunden wurde. Eigens zu diesem Zweck durchgeführte Vermessungen ergaben, dass die Mulde, in welcher der kupferzeitliche Mann sein Leben aushauchte, weniger als hundert Meter von der fünftausend Jahre später durch die Siegermächte des Ersten Weltkriegs gezogenen Grenze entfernt liegt. Fast als wären sein Alter, die Begleitfunde sowie der Erhaltungszustand noch nicht außergewöhnlich genug, kam dem Mann vom Tisenjoch so auch noch eine nicht unerhebliche politische Bedeutung zu. Die wirtschaftliche Dimension ist ebenso nicht zu verachten, denn die vom Eis konservierten Überreste ziehen jährlich Tausende Besucher nach Bozen ins Südtiroler Archäologiemuseum, wo sie seit 1998 in einer speziellen Kühlzelle besichtigt werden können.
Nicht zuletzt kommt der Mumie beiderseits der Ötztaler Alpen auch eine Rolle im Rahmen der regionalen Identität zu.
In einer Zeit lange vor jeder Staatlichkeit spielten für Ötzi selbst Fragen der Nationalität natürlich noch keine Rolle, doch erbrachten genetische Untersuchungen einige interessante Befunde zu dessen Abstammung. So beweisen charakteristische Merkmale des Y-Chromosoms eine Verwandtschaft väterlicherseits mit jener Bevölkerung, die vom Nahen Osten kommend ab ca. 5700 v. Chr. den Ackerbau nach Europa brachte und dort die Jungsteinzeit einläutete. Aufgrund der markanten Verzierungen an ihrem Geschirr wird in diesem Kontext von der „Bandkeramischen Kultur“ gesprochen. Heutzutage ist diese spezielle Chromosomengruppe in Europa kaum noch anzutreffen und tritt lediglich in lange Zeit relativ abgeschotteten Gebieten, wie man sie etwa auf Sardinien oder Korsika findet, verstärkt auf. Im oberen Inntal und im Paznauntal finden sich ebenfalls derartige genetische Inseln und 2013 wurden mittels DNS-Analyse in Tirol sogar ganze 19 lebende Nachfahren des am Similaun Verstorbenen ausfindig gemacht.
Die mütterliche Abstammungslinie Ötzis wird hingegen in den Dolomiten verortet und scheint mittlerweile erloschen zu sein. Demgegenüber befinden sich im Erbgut Ötzis keine aus den Steppengebieten jenseits des Schwarzen Meeres kommenden Gene, wie sie für die moderne Bevölkerung Europas und Nordamerikas charakteristisch sind. In diesem Kontext ist die Laktoseintoleranz Ötzis von besonderer Relevanz, da das für die Verdaubarkeit von Milchzucker verantwortliche Gen sich erst später in Westeuropa verbreitete, vermutlich im Zuge eines gewaltsamen Vordringens indogermanischer Völker am Beginn der Bronzezeit. Ebenjene Viehzüchter aus dem Osten waren es dann, die dem Erdteil ihren genetischen und sprachlichen Stempel aufdrückten. Demzufolge dürfte sich auch die Sprache Ötzis in ihrer Struktur stark von den heute vorherrschenden indoeuropäischen Idiomen unterschieden haben, wie es noch heute etwa beim Baskischen der Fall ist.
Ein Körper spricht Bände
Das Erbgut des Mannes aus dem Eis verrät uns jedoch noch weit mehr über seine Lebensumstände, als dass ihm zu viel Milch Verdauungsprobleme bereitete. Ötzi trug nämlich die Veranlagung für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in sich, welche bei ihm sogar schon für Verkalkungen in den Arterien verantwortlich war. Außerdem konnten Spuren einer Borreliose-Erkrankung festgestellt werden, die er sich höchstwahrscheinlich durch einen Zeckenbiss zugezogen hatte. Hirschlausfliegen und Flöhe machten ihm als kleine Blutsauger zusätzlich das Leben schwer. Immerhin musste sich Ötzi wohl nicht zu sehr vor der Sonne in Acht nehmen, da sein Hautton ziemlich dunkel und mit jenem autochthoner Sarden vergleichbar war. Wie eine Untersuchung seiner Knochen zeigte, war Ötzi zum Zeitpunkt seines Todes um die 45 Jahre alt, was gemessen an den Lebensumständen im Neolithikum schon recht beachtlich ist, ihm aber auch ordentlich zu schaffen gemacht haben dürfte. Seine Zähne etwa waren stark abgenutzt und von Karies befallen. Sogenannte „Beau-Reil-Furchen“ an einem Fingernagel deuten auf eine chronische Erkrankung hin, die das Immunsystem wiederkehrend vor große Herausforderungen stellte. Die besonders beanspruchten Stellen seines Bewegungsapparats dürften Ötzi infolge der Abnützungserscheinungen ebenso einiges an Weh bereitet haben.
Höchstwahrscheinlich als eine Art Schmerztherapie ließ sich der Tote vom Similaun deswegen an seinen Gelenken und am Rücken ganze 61 Tätowierungen in die Haut schneiden. Die Striche und Kreuze wurden durch das Einreiben mit Holzkohle interessanterweise genau an jenen Körperzonen erstellt, die auch noch heute bei der Akkupunktur herangezogen werden. Neben dem Gestell und den Zähnen war auch die Lunge schon recht mitgenommen. Schuld daran war aber kein Tabakkonsum Ötzis – die Vorstellung von einem genüsslich qualmenden Gletschermann mag zwar ihren Reiz haben, doch fand das stimulierende Kraut bekanntlich erst Jahrtausende später seinen Weg von Amerika nach Europa. Die Rußablagerungen im Atemtrakt stammen vielmehr vom Rauch der offenen Feuerstellen in den prähistorischen Behausungen. Um seinen niedrigen Körperfettanteil würden unseren (Kupfer-)Steinzeitmenschen heute jedoch viele beneiden. Das niedrige Lebendgewicht Ötzis von ungefähr 50 Kilogramm ist ebenso auf dessen urzeitliche Lebensweise zurückzuführen wie der vergleichsweise geringe Bleigehalt in seinem Haargewebe.
Das für seine nicht gerade gesundheitsfördernde Wirkung bekannte Arsen fand sich demgegenüber jedoch in wesentlich höherer Konzentration im Mann aus dem Eis. Dies wird von den Forschern darauf zurückgeführt, dass Ötzi wahrscheinlich beim Schmelzen von Kupfer, bei dem es zur Bildung von Arsendämpfen kommen kann, anwesend war. Gestorben ist der Mann aus dem Eis jedoch nicht an einer Schwermetallvergiftung, sondern durch einen von hinten und vermutlich aus größerer Entfernung abgegebenen Pfeilschuss in seinen Brustkorb.
Hochtechnologie aus der Steinzeit
Die Ausrüstung Ötzis gibt Einblicke, wie die Menschen vor mehr als fünftausend Jahren ihr Überleben in der Natur sicherzustellen trachteten. Einfallsreichtum, Erfahrung und handwerkliches Können spielten dabei eine entscheidende Rolle – alles Dinge, auf die letztlich auch der Jäger von heute nicht verzichten sollte. Neben der Mumie selbst stellt das Kupferbeil den wohl berühmtesten Fund vom Tisenjoch dar. Das kommt nicht von ungefähr, denn Ötzi hatte mit der kleinen Hacke ein für seine Zeit hochmodernes Werkzeug von herausragendem Wert bei sich.
Dabei wirkt das gute Stück auf uns, die wir längst an alle möglichen in vielfältigster Form verarbeiteten Metalle gewöhnt sind, eher unscheinbar. Der Schaft aus Eibenholz misst ungefähr 60 Zentimeter und die Kupferklinge wurde mittels Birkenteer und einer Umwicklung aus Lederriemen daran befestigt. Laut metallurgischen Untersuchungsergebnissen wurde das Erz für den Beilkopf in der südlichen Toskana gefördert, was auf überregionale Handelskontakte hinweist. Das Beil scheint seinem Besitzer gute Dienste getan zu haben, denn Abnützungsspuren an der Klinge zeugen von intensivem Gebrauch und lassen zudem auf einen Rechtshänder schließen. Praktische Versuche durch einen Experimentalarchäologen bewiesen entgegen früheren Annahmen die Nützlichkeit von Ötzis Axt bei der Holzbearbeitung: Mithilfe eines Nachbaus konnte eine kleinere Eibe in knapp einer Dreiviertelstunde gefällt werden. Der vergleichsweise niedrige Härtegrad des Kupfers macht lediglich eine eigene Schlagtechnik, bei der nicht zu viel Wucht eingesetzt werden darf, und gelegentliches Nachschärfen erforderlich.
Nicht nur der praktische Nutzen machte das Kupferbeil sehr wertvoll, sondern ebenso dessen Funktion als Statussymbol. Umso verwunderlicher nimmt sich da die Tatsache aus, dass derjenige, der Ötzi die tödliche Pfeilwunde beigebracht hat, das Kupferbeil liegen ließ. Wäre das Werkzeug ein verräterischer Beweis für einen heimlichen Mord gewesen? Waren der oder die Angreifer so sehr darauf fokussiert, die vom Niedergestreckten unter Umständen gehütete Herde wegzutreiben, dass sie auf das lukrative Beutestück vergaßen? Oder haben wir es sogar mit einem bewusst herbeigeführten Menschenopfer im Hochgebirge zu tun, wie es etwa aus der Andengegend überliefert ist?
5.000 Jahre alte Jagdausrüstung
Die genauen Hintergründe von Ötzis Ableben dürften wohl nie abschließend geklärt werden, zumal jede Erkenntnis einen ganzen Schwung weiterer Fragen mit sich bringt. So gibt auch der Bogen, den der Mann aus dem Eis dabeihatte, der Wissenschaft weiterhin Rätsel auf. Dieser wurde ebenso aus Eibe geschnitzt wie der Beilschaft und befand sich noch im Herstellungsprozess. Um einsatzfähig zu sein, hätte der 1,82 Meter lange Stab noch geglättet und mit einer Sehne versehen werden müssen. Warum Ötzi seinen Weg durchs Hochgebirge mit einem unfertigen Bogen antrat, ist unklar. Hatte er seine alte Waffe womöglich in einer Auseinandersetzung verloren und musste schnell flüchten? Die tiefe, kaum verheilte Wunde an seiner rechten Hand würde zumindest auf ein solches Szenario hindeuten, da derartige Verletzungen typischerweise bei der Abwehr von Messerangriffen entstehen. Von der nur einige Tage alten Handwunde könnte auch das am Bogen festgestellte Blut stammen. Einer anderen Theorie zufolge wurde das Eibenholz in den roten Saft getaucht, um es gegen Feuchtigkeit schützen. Das Mysterium um Ötzis Habseligkeiten hört hier aber noch lange nicht auf. In dem aus der Decke eines Rehs gefertigten Köcher fanden sich zwölf unfertige Schäfte sowie zwei gebrauchsfertige Pfeile mit Feuersteinspitzen. Anhand der unterschiedlich gewickelten Befiederung wurde festgestellt, dass die Geschosse von zwei verschiedenen Leuten hergestellt worden waren. Neben einer Schnur lagen noch vier Geweihstücke in der Pfeiltasche, welche Ötzi womöglich beim Aus-der-Decke-Schlagen seiner Jagdbeute nutzte.
Experimente ergaben, dass sich Wild auf 30 bis 50 Meter gut mit dem rekonstruierten Bogenmodell erlegen lässt. Dieser Befund passt wiederum zum Mageninhalt der Eismumie, der sich nicht nur aus den Resten eines Einkornbrotes, sondern auch aus Hirsch- und Steinbockfleisch zusammensetzte. Niederwild dürfte ebenfalls zur Kost der kupferzeitlichen Alpenbewohner gehört haben, da sich mit einem ebenso aus den Resten des Gletschers geborgenen grobmaschigen Netz aus Lindenbast Hasen oder Vögel fangen ließen. Aufgebrochen und zerwirkt hat Ötzi seine Beute dann mit seinem insgesamt nur 13 Zentimeter langen Feuersteindolch, den er in seiner Scheide am Gürtel befestigt getragen haben dürfte. Das Silexmineral der Klinge stammt aus der Gegend östlich des Gardasees und wurde wahrscheinlich öfter durch Abdrücken der Ränder nachgeschärft. Hierfür eignete sich der Holzgriff mit bleistiftartig eingefügter Hornspitze im Gepäck des Mannes aus dem Eis, weswegen es heute als Retuscheur geführt wird. Über den Verwendungszweck einer weißen Steinscheibe mit Bohrloch herrschte lange Kopfzerbrechen. Durch die Öffnung in dem rundlichen Stück Dolomitmarmor hatte man zahlreiche Riemen gefädelt, was von früheren Forschern einmal als Materialreserve für etwaige Reparaturen unterwegs und andermal als Talisman interpretiert wurde. Heutzutage gehen die Wissenschaftler aber von einer Nutzung als Vogelgalgen aus. Demzufolge band Ötzi das erlegte Federvieh an den Fellschnüren fest und trug die Vorrichtung mithilfe der Marmorscheibe unter den Gürtel geklemmt. Diese Befestigungsform ist nicht nur aus anderen Kulturen bekannt, etwa beim japanischen Kimono, sondern wurde gleichermaßen durch die Experimentalarchäologie als tauglich bestätigt.
Gegen Wind und Wetter schütze sich unser urzeitlicher Freund mit einem Ziegenfellmantel, Beinkleidern in der Art von Leggins, einer Bärenfellhaube und hirschledernen Schuhe mit einer Isolierschicht aus Heu. In einer auf seinen Kalbsledergürtel aufgenähten Tasche trug er Ahle, Bohrer und Schaber sowie einen kleinen Vorrat an Zunderschwamm fürs Feuermachen bei sich. Die Nützlichkeit von Hüftbeuteln ist eben auch keine Neuentdeckung der urlaubenden Pensionisten und halbstarken Möchtegerngangster unserer Tage. Ebenso dem Entfachen einer überlebenswichtigen Licht- und Wärmequelle dürften die Holzkohlestücke gedient haben, die Ötzi in Blätter gewickelt in einem Birkenrindengefäß mit sich führte. Zwei auf einen Fellstreifen gefädelte Stücke des Birkenporlings fungierten vermutlich als Medikamentenvorrat. Der Pilz verfügt über blutstillende und antibiotische Eigenschaften und könnte zudem als Mittel gegen die Parasiten gedient haben, die sich im Darm des Toten vom Tisenjoch angesiedelt hatten. Die in der Umgebung der Leiche gefundenen Reste einer Flechtmatte aus Sumpfgras könnten entweder wie ein über dem Kopf verschnürtes Minizelt oder als Behältnis auf dem hölzernen Kraxengestell Ötzis genutzt worden sein. Die in älteren Rekonstruktionen noch auftauchende Funktion als Mantel wird heutzutage eher für unwahrscheinlich gehalten, da Rückentrage und Köcher nicht gleichzeitig mit der Sumpfgrasmatte hätten getragen werden können.
Der Blick auf die neuen und alten Erkenntnisse zum Mann aus dem Eis offenbart, dass dieser zu Lebzeiten viel mit der Jagd zu tun gehabt haben muss. Dabei nutzte er größtenteils natürliche Ressourcen seiner direkten Umgebung, und zwar in einem Ausmaß, das uns heute nur mehr schwer greifbar erscheint. Man stelle sich kurz vor, jemand würde sich eine Jagdbüchse basteln aus Dingen, die er selbst in seiner näheren Umgebung zusammengesucht hat. Der ganze Vergleich mag zugegebenermaßen hinken und etwas an naive Naturromantik à la Rosseau erinnern. Andererseits veranschaulicht das Beispiel Ötzis, wie entscheidend Eigenschaften wie Einfallsreichtum, Erfahrung und Beobachtungsgabe für den Erfolg als Jäger im Besonderen und als Mensch im Allgemeinen sind. Und etwas Abkühlung hat der Ausflug auf den Gletscher auch gebracht, oder?