Nachtschicht
Wer es auf Schwarzkittel oder einen Fuchs abgesehen hat, weiß, dass er in die Planung seines Ansitzes auch astronomische Belange einfließen lassen muss. Ohne die ausreichende Beleuchtung für einen gezielten Schuss durch den herabstrahlenden Mond helfen der beste gewählte Platz und das fleißigste Ludern nichts. Strenggenommen kann in dieser Beziehung eigentlich nicht von einem richtigen Leuchten des Mondes gesprochen werden, da der nächtliche Himmelskörper ja lediglich die Strahlen der Sonne reflektiert. Durch die Kraft seiner Gravitation bewirkt der Mond selbst wiederum im Verbund mit der Sonne den Gezeitenwechsel. Ohne den Einfluss der Kontinente würde der Höhenunterschied ungefähr einen halben Meter ausmachen, durch Resonanzeffekte mit den Landmassen werden aber Niveauunterschiede von mehreren Metern ermöglicht. Wenn er also tagtäglich solch gewaltige Wassermassen bewegt, dann ist es doch gut möglich, dass der Mond auch im Kopf des Wildes das eine oder andere verändert – der Gedanke liegt zumindest nahe. Mit Sicherheit kann gesagt werden, dass beispielsweise Wandervögel den Mond als Orientierungshilfe nutzen und gewisse Fischarten sich in ihrem Paarungsverhalten nach dem Gestirn richten. Bei Säugetieren wird die Sache schon wesentlich komplizierter und es können keine feststehenden Regeln abgeleitet werden. Viele Jäger berichten etwa von Erfahrungen mit Schwarzwild, welches in hellen Vollmondnächten eher schlechter zusteht und lieber in Deckung bleibt. Ähnliches gilt für den Fuchs, den zu viel Licht bei seinen nächtlichen Beutezügen vorsichtig macht. Der Grund für dieses Verhalten ist aber weniger in einer direkten Auswirkung des Mondes zu suchen als in der Anpassung an das Verhalten des Menschen. Wir Weidleute wissen das gute Büchsenlicht in Vollmondphasen eben zu schätzen und sitzen zu diesen Zeiten vermehrt an, was dem instinktiv lernenden Wild dann letztendlich nicht verborgen bleibt. Auf diese Weise führt starker Jagddruck zu mondbezogenen Verhaltensanpassungen. Wer sich mit so einer Herausforderung bei der Saujagd konfrontiert sieht, kann es mit einem Ansitz am frühen Morgen nach dem Vollmond versuchen. Hat man es auf Meister Reineke abgesehen, sind die Tage kurz vor dem Vollmond die vielversprechendste Wahl. Wird intensiv gejagt oder kommt es zu andersartigem Druck durch häufige Störungen und dergleichen, kann das Wild einen Teil seiner Äsungsaktivität in die Nacht verlagern, wo es natürlich auch das Mondlicht ausnutzt. Die Wetterlage kann auch eine gewichtige Rolle spielen, da zum Beispiel das Rehwild bei großer Hitze seine Brunft oft in die Nachtstunden verlagert, wenn diese ausreichend hell sind. Auch der brunftigste Bock erspart sich eben gerne die Hitze und wird da lieber zum Nachtschwärmer.
Einflussreiche Theorie
Wir alle kennen wohl das Gefühl, wenn der oft stundenlange Ansitz vergeblich war und man oft nicht einmal einen Anblick hatte. In solchen Fällen wünscht man sich mitunter eine Art Vorhersagesystem. Der US-Amerikaner John Alden Knight hatte genau das im Sinn, als er seine Solunar-Theorie entwickelte. „Sol“ ist der lateinische Name der Sonne und das „Luna“ steht für den Mond. Basierend auf lokal überlieferten Regeln aus Florida, erarbeitete sich der Autor von Fachbüchern zum Angeln ein System, das ausgehend von der Stellung der Sonne und des Mondes Rückschlüsse auf die Erfolgswahrscheinlichkeit, an gewissen Tagen Beute zu machen, ermöglichen sollte. Vor allem in ihrem Ursprungsland ist die Solunar-Theorie weit verbreitet und entsprechende Tabellen werden in virtueller und analoger Form vermarktet. Ob das System tatsächlich funktioniert, ist jedoch umstritten. Eine österreichische Studie deutet zumindest an, dass die Mondphase Einfluss auf die Häufigkeit von Wildunfällen hat. Bei Vollmond wurden nämlich signifikant mehr Rehe zu Verkehrsopfern. Die Untersuchung der Bewegungsdaten von besenderten Weißwedelhirschen in den Vereinigten Staaten brachte zutage, dass die Tiere bei Auf- sowie Untergang des Mondes verstärkt aktiv waren. In Italien und der Schweiz konnten Wissenschaftler wiederum beobachten, dass sich Gämsen in hellen Nächten stärker bewegen. Insgesamt haben die Morgen- und Abenddämmerung jedoch weitaus mehr Bedeutung für das Verhalten der Schalenwildarten. Eine allgemeingültige Regel zu der Beziehung zwischen Wildverhalten und Mondphase lässt sich aber aus keiner derartigen Untersuchung ableiten. Ob man den diversen Theorien zum Einfluss des Mondes Glauben schenkt und sie in den jagdlichen Alltag einfließen lässt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Auf jeden Fall sollte man sich eingehend mit dem Verhalten des Wildes im eigenen Revier beschäftigen und sozusagen ein wenig seine ganz eigene Forschung betreiben. Zu diesem Zweck sind etwa Wildkameras optimal geeignet. Zu sicher sollte man sich aber nie sein: Was für das eine Gebiet zu gelten scheint, kann sich schon ein paar Kilometer weiter als Fehlannahme für den dortigen Standort entpuppen.
Auf dem Holzweg?
Ein weiterer Aspekt der ganzen Angelegenheit mit den Mondphasen hat nur indirekt etwas mit der Jagd zu tun. So wie es mondbezogene Hinweise zum richtigen Zeitpunkt für einen Ansitz gibt, existieren auch solche Regeln für die Forstwirtschaft. Viele schwören auf die positiven Eigenschaften des nach dem Mondkalender geschlagenen Holzes – geradezu feuerresistent soll es sein, riss- und schwindarm sowie lange haltbar und darüber hinaus sogar eine beruhigende Wirkung auf den Menschen haben. Dafür muss es, während der sogenannten „Saft Ruhe“ bei abnehmendem Mond gefällt werden. Am besten geschieht dies während des Winters und kurz vor Neumond. Was früher anscheinend gang und gäbe war, ist in Zeiten der modernen Waldnutzung eine Rarität, für die manche gewillt sind, extra tief in die Tasche zu greifen. Einen eindeutigen wissenschaftlichen Beleg für die Vorteile des Mondholzes gibt es zwar nicht, doch bestehen starke Hinweise in diese Richtung. Das Freiburger Institut für Forstbenutzung und forstliche Arbeitswissenschaft untersuchte 600 verschiedene Hölzer in der Schweiz und konnte feststellen, dass der Wasseranteil bei den nach Mondkalender geschlagenen Stämmen insgesamt niedriger war. Vermutlich beeinflusst der Erdtrabant die Flüssigkeitseinlagerung der Bäume.