Stopp! Fangen wir von vorne an … Wie bin ich überhaupt hier gelandet? Robbenjagd? Ist das überhaupt erlaubt? Genau diese Frage stellte ich meinem schwedischen Jagdfreund Jesper auch, als er vorschlug, wir sollten Robbenjagden in Deutschland anbieten. Jesper und ich kennen uns schon seit einigen Jahren und zusammen betreiben wir eine kleine Agentur für Jagdreisen in Skandinavien. Wir bieten Jagden an, die man ohne Kontakte zu Einheimischen nur schwer erleben könnte – authentische und exklusive Erlebnisse. Aber Robbenjagd? Das konnte ich mir nicht vorstellen.
Doch man kann nur urteilen, wenn man es selbst erlebt hat. Also beschloss ich, es auszuprobieren. Es sollte meine erste „maritime“ Jagd werden. Sonst habe ich auf der Ostsee eher eine Angel in der Hand, nicht aber eine Waffe.
Gesagt, getan. Ende August starte ich die Reise zusammen mit meinem deutschen Jagdfreund Niklas. Mit ihm betreibe ich die Firma „Rüdemann Jagdschnaps“. Von Rostock aus nehmen wir die Fähre nach Dänemark. Wir wählen den Land- und Seeweg nach Stockholm, da wir planen, Wildbret mit nach Hause zu nehmen und dafür unsere großen Kühlboxen im Auto brauchen. Bei herrlichem Wetter und 25 Grad überqueren wir die Öresundbrücke Richtung Malmö und machen zuerst Halt in einem Supermarkt, um schwedische Köstlichkeiten für das Abendessen zu besorgen: geräucherten Fisch, Flusskrebse und natürlich etwas schwedisches Bier.
Unsere erste Station ist eine Hütte mitten im Wald, etwa fünf Fahrstunden südlich von Stockholm. Diese haben wir über eine Buchungsplattform organisiert. Kurz nach unserer Ankunft knistert schon ein Lagerfeuer, auf dem wir unser Abendessen zubereiten. Der Wald hat bereits einen herbstlichen Hauch und bei einem abendlichen Spaziergang entdecken wir frische Elchfährten und Losung, nur wenige Meter von unserer Hütte entfernt. Da es früh dunkel wird – früher als in Deutschland – und wir noch eine lange Fahrt bis Stockholm vor uns haben, legen wir uns bald zur Ruhe.
Am nächsten Tag erreichen wir Stockholm. Dort haben wir noch einen Tag Aufenthalt, bevor die Jagd im Schärengarten beginnen soll.
Aber zuerst steht ein anderes Abenteuer an. Wir pflegen die Tradition, uns auf gemeinsamen Reisen immer tätowieren zu lassen – ein bleibendes Souvenir. Ich habe bereits vor drei Monaten einen Termin in einem der besten Studios Stockholms gemacht. Was lässt man sich stechen, bevor man auf Robbenjagd geht? Natürlich eine Robbe! Unser Tattoo-Künstler, ein ursprünglich aus Indonesien stammender Artist, begrüßt uns mit den Worten: „Seid ihr die Robbenjungs?“ – „Ja, das sind wir.“
Jeder von uns kann seine Robbe noch etwas individuell gestalten, bevor es losgeht. Nach etwa zwei Stunden sind wir um ein schönes Souvenir reicher. Anschließend schlendern wir noch durch die Altstadt und ich halte in einer bekannten Stockholmer Wildmetzgerei an, um Elch- und Rentierfleisch für die Heimreise vorzubestellen. Dann geht es zurück ins Hotel, denn morgen soll endlich die vier Tage lange Robbenjagd in den Schären beginnen.Am nächsten Morgen stehen wir schon früh auf, die Aufregung ist einfach zu groß. Ich rufe direkt unseren schwedischen Gastgeber an, der uns am Ufer abholen will, und vereinbare eine Zeit. Vorher müssen wir jedoch noch kurz am Flughafen vorbeifahren, um einen weiteren Mitjäger einzusammeln. Kein Problem, denn der Flughafen liegt ohnehin auf unserem Weg zum Treffpunkt.
Am Anleger angekommen, wartet bereits das Boot auf uns. Bei bester Laune und strahlendem Wetter laden wir schnell unsere Ausrüstung ein. Unsere schwedischen Gastgeber, Klas und Petter, sind sehr freundlich und zusammen mit ihnen und ihren Hunden machen wir uns auf ins Abenteuer.
Die Fahrt mit dem Boot ist rasant und nach etwa 30 Minuten erreichen wir unsere Unterkunft – sie liegt auf einer abgelegenen Insel. Über einen großen Steg gelangen wir hinauf zum Haupthaus. Es gibt auch ein kleines Gästehaus, eine Outdoorküche und eine Sauna. Von der großen Terrasse aus kann man kilometerweit auf die Ostsee blicken.
Nachdem wir unsere Zimmer bezogen und uns umgezogen haben, gibt Klas uns eine Einweisung. Er erklärt, dass die Kegelrobbenpopulation stetig zunimmt und die Robben in den Schären erheblichen Schaden anrichten, indem sie zum Teil auch Fischernetze zerstören. Da ausgewachsene Kegelrobben keine natürlichen Feinde mehr haben, wurde die kontrollierte Jagd auf sie erlaubt.
Infobox:
Die Kegelrobbenpopulation in der Ostsee liegt bei ungefähr 50.000 Tieren, von denen der Großteil in schwedischen und finnischen Gewässern lebt. Jede Robbe frisst zwischen 4 und 6 Kilogramm Fisch pro Tag. Daher wurde in Finnland und Schweden die kontrollierte Jagd auf Kegelrobben zugelassen.
Klas erklärt uns den Ablauf der Jagd: Mit dem Boot werden wir verschiedene Inseln anfahren, auf denen die Wahrscheinlichkeit besteht, Robben zu sichten. Sobald wir eine Robbe entdecken, wird das Boot die Insel ansteuern und wir werden abgesetzt. Die Robben ergreifen die Flucht, sobald sie das Boot bemerken, kehren jedoch aus Neugier zur Wasseroberfläche zurück, um zu sehen, was los ist. Dies ist der Moment, um die Robben zu erlegen. Dabei sind nur Schüsse auf das Haupt möglich. Wenn man trifft, erkennt man dies an aufsteigenden Luftblasen und einer großen Menge Schweiß auf der Wasseroberfläche. Sollte ein Schuss nicht tödlich sein, wird die Robbe nicht weit kommen und nicht abtauchen können, da sie Luft braucht. In diesem Fall darf der Jäger einen zweiten Schuss antragen, zusätzlich steht auch das Boot bereit, um die Robbe zu erreichen und von Bord aus zu erlegen. Die üblichen Schussdistanzen liegen zwischen 30 und 100 Metern.
Obwohl der Wellengang aufgrund des vorangegangenen Sturms noch recht rau ist, beschließen wir, heute noch hinauszufahren. Doch zuerst nehmen wir auf der Terrasse des Hauses die Waffen entgegen und geben auf 100 Meter einen Kontrollschuss ab.
Wir hätten auch unsere eigenen Büchsen mitbringen können – dank des europäischen Feuerwaffenpasses ist das kein großes Problem. Aber ich wollte meine holzgeschäftete Büchse auf keinen Fall im Salzwasser einsetzen. Deshalb haben wir uns entschieden, die Büchsen vor Ort zu mieten.
Das Ziel befindet sich auf einem kleinen Ausläufer unserer Insel, etwa 100 Meter entfernt. Geschossen wird, wie auch später bei der Jagd, im Liegen und alle Waffen sind mit einem Zweibein ausgestattet. Alle Schüsse sitzen perfekt, und so kann unsere erste Fahrt beginnen.
Wir rasen mit ordentlicher Geschwindigkeit über die Wellen und das Boot macht heftige Sprünge. Es ist nicht leicht, die Büchse so festzuhalten, dass sie einem nicht aus der Hand rutscht. Nach etwa 100 Kilometern erreichen wir eine größere Insel, die gleichzeitig der östlichste Punkt Schwedens ist. Wir gehen an Land; die Insel ist etwa so groß wie ein Fußballfeld.
Plötzlich steigt ein leichter Aasgeruch in unsere Nasen, und dann sehen wir es schon: Die ganze Insel ist mit ausgedorrten und zerrupften Kadavern bedeckt. Auf den ersten Blick ist kaum zu erkennen, um welche Kreaturen es sich einst gehandelt hat. Klas bringt Licht ins Dunkel: Auf dieser Insel bringen die Kegelrobben ihre Jungen zur Welt. Robbenbabys können jedoch bis zu zwei Wochen nach der Geburt noch nicht schwimmen und somit auch nicht vor Fressfeinden flüchten. Seeadler nutzen diesen Umstand aus, indem sie den wehrlosen Robben die Augen aushacken. Das tötet sie nicht sofort, macht sie aber noch unbeweglicher und unfähig, Nahrung aufzunehmen. Die Seeadler nutzen die verletzten Robben als lebende Speisekammer und ernähren sich und ihre Jungen von ihnen. Ein brutaler Kreislauf der Natur, der einem bewusst macht, wie grausam die Wildnis sein kann.
Wir bleiben noch eine Weile auf der Insel und glasen das Wasser nach Robben ab, die sich dem Ufer nähern – jedoch ohne Erfolg. Also treten wir den Heimweg zurück zu unserem Hauptquartier an.
Nach zwei weiteren Stunden wilder Fahrt haben wir unsere Unterkunft wieder erreicht. Petter erwartet uns bereits mit einem Abendessen und ein paar eiskalten Bieren. Morgen, so sagt Klas, soll die See ruhiger sein und uns bessere Jagderfolge bescheren. Wir werden bei Sonnenaufgang auslaufen.
Der Wecker klingelt um 4 Uhr morgens. Ich bin aufgeregt. Erst jetzt wird mir bewusst, wo ich mich befinde und in welcher atemberaubenden Landschaft ich jagen darf. Die ersten Sonnenstrahlen fallen durch mein Fenster und ich kann vom Bett aus über die endlosen Weiten der glitzernden Ostsee blicken.
Ich stehe auf und putzte mir draußen auf der Terrasse die Zähne. Nach einem kleinen Frühstück geht es auch schon los. Die aufgehende Sonne taucht die Fenster des Bootes in ein tiefes Rot. Klas ist bester Laune und dreht die Musik auf – Highway to the Danger Zone aus dem 80er-Jahre-Film Top Gun. „Das ist mein Glückslied,“ sagt Klas, „damit klappt die Jagd immer.“ Ich bekomme Gänsehaut, denn der Moment fühlt sich magisch an.
Nach etwa 30 Minuten entdeckt Klas die erste Robbe, die sich auf einem kleinen Felsen sonnt. Wir steuern den Felsen an und setzen unseren Mitjäger ab. Der Felsen ist gerade mal so groß, dass ein Mann darauf knien kann. Wir entfernen uns mit dem Boot und warten etwa 200 Meter entfernt darauf, dass die Robbe an die Wasseroberfläche kommt und unser Kamerad einen Schuss abgeben kann. Doch die Robbe ist wohl schlauer als wir – auch nach 15 Minuten zeigt sie sich nicht. Schließlich sammeln wir unseren Mitjäger wieder ein, der froh ist, denn die Wellen haben den kleinen Felsen schon überspült und er hat Mühe, sich darauf zu halten.
Wir fahren zur nächsten vielversprechenden Insel, auf der wir dieses Mal zu dritt Platz finden. Doch außer dass es bestialisch nach Möwenkacke riecht, passiert nichts.
Auf dem Weg zur dritten Insel spüren wir bereits, dass es jetzt richtig spannend wird. Am Horizont sehen wir eine Gruppe von etwa 150 Kegelrobben. Klas wird ernst: „Jetzt muss es schnell gehen!“ Mit Vollgas steuert er auf die Insel zu, während die Robben bereits ins Wasser gleiten. Ich bin als Erster an der Reihe und kämpfe mich über die glitschigen, algenbewachsenen Felsen und kann mich gerade noch fangen, bevor ich mich aufs Maul lege und selber wie eine Robbe ins Wasser gleite. Irgendwann haben die Felsen zum Glück wieder mehr Grip. Doch als ich mich hinlege und eine Robbe ins Visier nehme, merke ich, dass ich eventuell mal besser hätte hinschauen sollen … Ich liege in einem riesigen Haufen Möwenscheiße und in diesem Moment schwappt auch noch eine eiskalte Welle über mich. „Fuck!“, schreie ich, aber da ist schon keine Robbe mehr in Sicht.
Die Schüsse meiner Mitjäger hallen hinter mir wider – schlauer positioniert als ich, haben sie sich auf trockenen Bereichen der Insel niedergelassen. Ich entscheide mich, mich ebenfalls neu zu platzieren. Auf der Rückseite der Insel entdecke ich etwa 50 Robben, die neugierig aus dem Wasser spähen. Jetzt wird es knifflig: Die Robben tauchen nur für wenige Sekunden auf, verschwinden dann wieder und manchmal verdecken auch die Wellen die Sicht. Ein sicherer Schuss? Schwierig. Ich muss umdenken.
Nach einer Weile bemerke ich ein Muster. Die Robben tauchen oft dort wieder auf, wo sie abgetaucht sind. Mit dieser Erkenntnis kann ich meinen ersten Treffer landen. Luftblasen und öliger Schweiß auf der Wasseroberfläche zeigen mir den Erfolg an. Die Technik funktioniert – am Ende schaffe ich es, sechs Robben zu erlegen. Der Spuk ist genauso schnell vorbei, wie er gekommen ist. Die restlichen Robben haben endgültig das Weite gesucht, aber auch meine Mitjäger haben Erfolg gehabt.
Klas kommt mit dem Boot zurück und zieht sich einen Taucheranzug an. Er erklärt uns, dass die erlegten Robben nicht sinken, sondern dank ihrer dicken Fettschicht etwa einen Meter unter der Oberfläche schweben. Während er taucht, ist es unsere Aufgabe, die Robben mit Haken über die Rampe aufs Boot zu ziehen – eine schweißtreibende Angelegenheit. Jede Robbe wiegt über 200 Kilogramm und es braucht unsere vereinten Kräfte, um sie an Bord zu bekommen. Nach einer Stunde harter Arbeit haben wir alle geborgen.
Ein kurzer Stopp auf einer kleinen bewohnten Insel gibt uns Gelegenheit, dass Klas aus dem nassen Anzug in trockene Kleidung schlüpfen kann. Zufällig liegt hier auch ein schwedisches Militärboot vor Anker und die Besatzung betrachtet beeindruckt unsere Beute.
Zurück in unserer Unterkunft ziehen wir die Robben mit Mühe auf den Zerwirkplatz. Bevor es jedoch ans Abschwarten geht, legen wir die Strecke: Die Robben erhalten traditionell ihren letzten Bissen, und wir spielen das Signal „Seehund tot“. Erst danach gönnen wir uns ein wohlverdientes Bier, bevor die rote Arbeit beginnt.
Das Abschwarten ist eine Tortur. Die dicke Fettschicht macht es schwierig, die Robben in Position zu bringen, und die Sonne lässt das Fett schmelzen, sodass wir auf den Felsen rutschend arbeiten müssen. Nach sieben Stunden harter Arbeit haben wir alle Robben abgeschwartet. Die Felle werden sofort eingefroren und später zur Gerberei gebracht. Das Wildbret – nur etwa 5 bis 10 Kilogramm pro Robbe – wird ebenfalls eingefroren. Es riecht nach Meer und Algen, fast wie frische Austern, und ist tiefschwarz und mager, da das Fett bei den Robben direkt unter der Haut sitzt. Die größte Robbe des Tages konnte ich erlegen – sie ist mit 328 Kilogramm mit Abstand das schwerste Exemplar auf unserer Strecke.
Erschöpft und durchgeschwitzt erfahren wir, dass es auf der Insel keine Dusche gibt. Unsere einzige „Badewanne“ ist die 15 Grad kalte Ostsee. Zum Glück hat Petter die Sauna angeheizt, sodass wir uns nach dem Bad schnell wieder aufwärmen können.
Zum Abendessen bereitet Petter eine köstliche Mahlzeit aus dem Robbenfleisch zu, das er in einer herzhaften Sahnesauce mit derbem Speck und Zwiebeln serviert. Dazu gibt es kräftiges Landbrot und einen Rüdemann Wacholder, den wir als Gastgeschenk aus der fernen Heimat mitgebracht haben.
Nach dem Essen lassen wir die Erlebnisse des Tages noch kurz am knisternden Lagerfeuer Revue passieren, ehe ich todmüde ins Bett falle und sofort einschlafe. Für den nächsten Morgen haben wir beschlossen, auszuschlafen und erst gegen Mittag wieder zur Jagd aufzubrechen.
Doch da ich früh schlafen gegangen bin und die Aufregung des Vortags noch in mir steckt, halte ich es nicht länger als bis sieben im Bett aus. Leise schleiche ich mich hinaus und baue meine Angel zusammen – in der festen Überzeugung, noch eine Meerforelle an die Leine zu bekommen. Nach zwei Stunden ohne Biss höre ich es plötzlich aus dem Haus rufen: „Frühstück ist fertig!“, da gebe ich auf.
Klas will erneut mit uns auf Robbenjagd gehen, diesmal etwas weiter südlich. Wir legen ab und wie immer stimmt er sein „Glückslied“ an, um uns in die richtige Stimmung zu bringen. Im Stillen nehme ich mir vor, heute nicht mehr als eine Robbe zu erlegen – der Gedanke an die stundenlange Zerwirkerei vom Vortag motiviert mich nicht gerade zu Höchstleistungen.
Doch dazu soll es gar nicht kommen. Nach etwa einer Stunde Fahrt zuckt ein Blitz am Horizont und Klas erklärt uns, dass wir umkehren müssen, wenn wir nicht in ein Gewitter geraten wollen. Widerwillig drehen wir um. Plötzlich hält Klas das Boot an und drückt mir eine Schrotflinte in die Hand. „Knie dich vorne an Deck und sei bereit! Da vorne ist eine Kormorankolonie! Ich fahre gegen den Wind an, und wenn sie kreuzen, kannst du schießen!“
Das Schießen auf Kormorane vom fahrenden Boot aus – in Schweden legal, wie Klas versichert – klingt abenteuerlich, und so verbringen wir den Nachmittag damit, die Vögel zu jagen. Zu meiner Überraschung funktioniert das erstaunlich gut und wir erbeuten acht Kormorane. Ein besonders schönes Exemplar gebe ich zum Präparieren, die restlichen Brustfilets löse ich aus. Petter zaubert uns am Abend daraus ein weiteres köstliches Mahl, während wir den Tag mit einer gemütlichen Kajakfahrt um unsere Insel ausklingen lassen.
Am nächsten Morgen sieht es wettermäßig nicht viel besser aus. Klas schlägt vor, die Jagd auf Mufflons zu versuchen. „Mufflons? Hier?“, frage ich erstaunt. Er erklärt uns, dass 1984 eine Mufflonherde auf der größten Schäreninsel ausgesetzt wurde, seither haben sich die Tiere prächtig vermehrt und sich schwimmenderweise auch auf anderen Inseln ausgebreitet. Ohne natürliche Feinde wie den Wolf, der in Deutschland die Muffelbestände nahezu ausgerottet hat, entwickelt sich die Population hier hervorragend.
Wir machen uns auf den Weg, diesmal nicht auf die offene See, sondern in Richtung Festland, wo die Inseln dichter bewachsen sind und teilweise richtige Wälder aufweisen. Unterwegs ruft Klas plötzlich: „Robbe voraus!“ Es gelingt einem meiner Mitjäger, das Tier zu erlegen. Weidmannsheil!
Wenig später erreichen wir die Muffloninseln. Klas setzt mich auf einer dicht bewachsenen Insel ab, die etwa sechs Hektar groß ist, und erklärt mir, dass hier eine kleine Herde unterwegs sein könnte. Aufgeregt mache ich mich auf den Weg, doch nach einer Stunde Wandern ohne eine einzige Fährte oder Losung lässt die Aufregung schnell nach. Also setze ich mich auf einen Felsen und mache erstmal Brotzeit, während ich mit dem Fernglas das Ufer abglase. In etwa 200 Metern Entfernung sehe ich zwei angenagte Kiefern – Biber! Zumindest etwas Leben hier.
Ich lasse meinen Rucksack und die Waffe zurück, um mir die Biberspuren aus der Nähe anzusehen. Kaum 50 Meter weiter klettere ich auf einen Felsen – und da stehen sie plötzlich: zwei stattliche Muffelwidder, keine 20 Meter entfernt, Auge in Auge mit mir! Doch nicht lange, denn sofort springen sie ab. Adrenalin schießt durch meinen Körper. Ich renne zurück zu meiner Waffe und überlege, was ich tun soll: Abwarten oder nachpirschen? Ich entscheide mich für die Pirsch. Es gelingt mir, einige Male aufzuschließen, doch jedes Mal, wenn ich nah genug herankomme, entdecken sie mich und springen wieder ab. Nach zwei Stunden Katz-und-Maus-Spiel gebe ich erschöpft auf und kehre zu meinem Ausgangspunkt zurück.
Gerade als ich meinem Mitjäger eine Nachricht schreibe, dass ich keine Lust mehr habe, höre ich plötzlich ein Knacken im Unterholz. Unglaublich – die beiden Widder stehen keine 40 Meter von mir entfernt, scheibenbreit und ohne mich zu vernehmen. Ich atme tief durch, lasse das Handy ins Moos fallen, greife nach meiner Waffe und bringe den vorderen Widder ins Visier. Ein sicherer Schuss – und der Widder liegt im Knall. Meine Hände zittern. Ich sichere die Waffe und gehe zu meinem ersten Stück Muffelwild. Eine beeindruckende Kreatur. Ich reiche ihm den letzten Bissen und lasse mich zu ihm ins warme Moos gleiten, um Totenwache zu halten.
Ich rufe Klas an, der sich freut und mich zehn Minuten später am Ufer abholt. Gemeinsam brechen wir den Widder auf und laden ihn ins Boot. Kurz darauf stoßen wir wieder zu unserem Mitjäger, der mir ein kräftiges Weidmannsheil wünscht. Klas hat eine Idee: „Lass uns am Fähranleger anhalten und eine Pizza holen.“ Gute Idee!
Zurück auf unserer Insel erwartet uns bereits Petter, der mir ebenfalls ein Weidmannsheil zuruft. Ich schlage den Widder aus der Decke und bereite ihn zusammen mit Klas für ein Schulterpräparat vor. Anschließend hängen wir den abgezogenen Widder zum Auskühlen in den Schuppen. Den letzten Abend im Schärengarten lassen wir mit einem zünftigen Essen und mehreren Saunagängen ausklingen.
Am nächsten Morgen zerwirke ich noch schnell meine Beute, bevor wir das Boot beladen und uns auf den Heimweg machen. Ich habe auf dieser Reise viel über den Schärengarten und die Jagd in diesem besonderen Lebensraum gelernt. Es war keine einfache Jagd, doch ich fahre mit einem erfüllten Gefühl nach Hause, sicher, dass die Erinnerungen an dieses Abenteuer mich noch lange begleiten werden. Die Kühlboxen sind bis zum Rand mit feinstem Wildbret von Robbe, Kormoran und Muffel gefüllt, und wir fahren an einem Tag zurück nach Hause, um die Kühlkette zu wahren.