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Die Rotwildbrunft in ihrem biologischen Ablauf
Tiefes Röhren, eindrucksvolles Imponiergehabe und spektakuläre Geweihduelle – die Brunft des Rotwildes bietet einfach ein großartiges Spektakel! Kein Wunder also, wenn sich Weidleute und Naturliebhaber von dem besonderen Zauber dieses herbstlichen Treibens in den Bann ziehen lassen. Hinter den gefühlsgeladenen Eindrücken stehen fein aufeinander abgestimmte biologische Prozesse und Zusammenhänge, deren Verstehen zwar weitaus weniger emotional erfolgt, aber nicht minder interessant ist.
Feistzeit – die Ruhe vor dem Sturm 
Alles im Leben hat seine Zeit. Das gilt selbstverständlich auch für das Rotwild, weshalb die männlichen Vertreter der Art vor der kräfteraubenden Brunft erst einmal genügend Kalorienreserven in Form von Fett anlegen müssen. Nicht ohne Grund hat diese ruhigste Spanne im Hirschkalender einen derartig schwerwiegend klingenden Namen bekommen. Sie erstreckt sich bekanntlich vom Ende des Geweihwachstums bis hin zum Brunftbeginn. Für ältere Exemplare geht es schon circa Ende Juli mit dem Verfegen des fertig vereckten Geweihs los, während sich jüngere meist bis weit in den August hinein Zeit lassen. Gleich wie bei anderen Cerviden werden Wachstum und Absterben der Basthaut durch die Ausschüttung von speziellen Hormonen gesteuert, welche mittels der Tageslichtmenge letztlich durch den Verlauf des Sonnenjahres kontrolliert werden. Feisthirsche verhalten sich in der Regel sehr heimlich und sondern sich nicht selten von ihren Artgenossen ab, wobei aber die Gesellschaft eines schmächtigeren Beihirsches oft noch toleriert wird. In Landstrichen mit höheren Bestandsdichten kann es zu gegenteiligen Verhaltensweisen kommen, da sich dort mitunter über 100-köpfige Feistrudel finden. Rein technisch gesehen, sind die reiferen Exemplare schon im Juli bereit für die Fortpflanzung, da die Spermienbildung mit dem Verecken einsetzt und erst mit dem Abwerfen des Geweihs eingestellt wird. In die richtige Stimmung kommt das männliche Rotwild jedoch erst in der Zeit rund um die herbstliche Tag-Nacht-Gleiche. Ist jedoch erst einmal der Paarungstrieb in ihm erwacht, trennt sich der Hirsch von seinen etwaigen Feistgenossen und sucht die Brunftgebiete auf, wofür auch beträchtliche Distanzunterschiede in Kauf genommen werden. Von einem besonders leichtfüßigen Vertreter der Spezies ist sogar eine Wanderung über 120 Kilometer belegt.
Exkurs – die Jagd nach dem Phantom 
Aufgrund seines ausgeprägten heimlichen Gebarens gilt der Feisthirsch als schwierig zu erlegen, wobei noch erschwerend hinzukommt, dass sich das Zeitfenster vom Beginn der Schusszeit bis zur Brunft nicht gerade lang bemisst. Für manche Jäger stellen genau diese Umstände den besonderen Reiz einer Hirschjagd noch vor der Brunft dar. Rein sachlich gesehen hat jener spezielle Ansatz zusätzlich den Vorteil, dass sich die Stücke noch im Rudelverband zeigen können, was das Ansprechen durch die direkte Vergleichsmöglichkeit wesentlich erleichtert. Zudem kann so ein Teil der nötigen Abschüsse im Voraus erledigt werden, wodurch dann in der Brunft mehr Zeit für die richtig spannenden Fälle bleibt. Allerdings gilt es davor noch zu erwägen, wie sich das Fehlen des fraglichen Stücks auf die genetischen und altersstrukturellen Verhältnisse der kommenden Brunft auswirkt. Ob man nun dem Feisthirsch nachstellen mag oder nicht, fest steht, dass sich dies unter den richtigen Umständen durchaus sehr erfolgreich bewerkstelligen lässt. Entscheidend ist das nötige Maß an Ruhe im Revier, denn ohne große Störungen traut sich auch der Heimlichste der Heimlichen noch bei Tageslicht aus dem Einstand. Da die verstärkte Nahrungsaufnahme seine große Priorität darstellt, kann der Feisthirsch am ehesten an beliebten Äsungsflächen angetroffen werden. Naturgemäß wird kalorienreiche Kost bevorzugt, was zum verstärkten Aufsuchen von Getreidefeldern und Wildäckern führt. Entgegen der sonstigen weidmännischen Gewohnheit könnte sich in diesem Fall die Mittagszeit als ideal für den Ansitz erweisen. Optional könnten zudem die Suhlen in Nachbarschaft zu den sommerlichen Einständen des Rotwildes in den Fokus genommen werden. Auf jeden Fall ist viel Geduld gefragt, denn gleich wie bei anderen Wildarten treten auch hier die erfahreneren Exemplare erst ein Weilchen nach den jüngeren aus der Deckung heraus. Wer besonderes Augenmerk auf eine prachtvolle Trophäe legt, sollte zudem gut acht auf den Geweihzustand des auserkorenen Hirsches geben, denn selbst stattliche Hirsche können zu Beginn der fraglichen Zeit noch den Bast tragen und der Blick durchs Fernglas ist mitunter trügerisch. Allerdings sollte nicht zu lange gewartet werden, denn je mehr Fettreserven sich das männliche Rotwild schon angefressen hat, desto vorsichtiger wird es.
Brunft – langersehnte heiße Phase 
Beim Rotwild werden die männlichen Vertreter der Spezies vor den weiblichen brunftig. Grundsätzlich sind schon die Jungspunde ab dem zweiten Lebensjahr fortpflanzungsfähig, doch können sie bei einer ausgewogenen Altersstruktur kaum zum Zug kommen. Neben der kleineren Statur und dem schwächeren Geweih unterscheiden sich die „Halbstarken“ noch durch den fehlenden Brunftkragen, welcher den Vorschlag der reifen Hirsche besonders imposant erscheinen lässt. Haben die Hirsche einmal die Brunftplätze, bei denen es sich häufig schlicht um beliebte Äsungsflächen des Kahlwildes handelt, erreicht, kann das Spektakel losgehen. Die noch vor ein paar Tagen so behäbig wirkenden Platzhirsche werden hochaktiv, verscheuchen schwächere Rivalen und treiben sich vom Hauptverband absetzende Tiere zurück. In beiden Fällen wird ein ausgeprägtes Imponiergehabe zur Schau gestellt. Es zeichnet sich durch einen stechschrittartigen Gang aus, bei dem das Haupt hochgehalten und der Äser gen Himmel gestreckt wird. Dieses Verhalten stellt ein entwicklungsgeschichtliches Überbleibsel dar und stammt aus der Zeit, als die Vorfahren unseres heutigen Rotwildes noch lange Eckzähne besaßen. Mit dem Wasserreh und dem Muntjak finden sich in Ostasien noch heute zwei fangzahnbewährte Verwandte aus der Familie der Hirsche. Cervus elaphus – so der lateinische Name der in diesem Artikel behandelten Wildart – verfügt mit den Grandeln sogar noch über rudimentäre Reste seiner früheren dentalen Bewaffnung. Die Schleimhaut im Mundwinkel hinter den seit der Altsteinzeit vom Menschen als Jagdtrophäen genutzten Zähnchen ist beim Rotwild nach wie vor schwarz, da dies die Kontrastwirkung erhöht und die Dolche im Oberkiefer somit eindrucksvoller erscheinen lässt. Auch ohne lange Eckzähne ist das Drohgebaren eines ausgewachsenen Platzhirsches aber eindrucksvoll genug, um viele schwächere Artgenossen von vornherein auf Distanz zu halten.
Duell mit dem Geweih
 Sollte sich ein Konkurrent nicht einschüchtern lassen, bewegen sich Champion und Herausforderer langsam aufeinander zu, wobei sie sich mit steigender Frequenz und Intensität anröhren. Die Stimmen von Hirschen werden mit fortschreitender Dauer der Brunft zunehmend tiefer und sozusagen heiserer. Im Übrigen gibt das Ausmaß der Geräuschkulisse an sich keinen sicheren Aufschluss über die Fortpflanzungsrate. Auf der nächsten Eskalationsstufe schreiten die Gegner dann für gewöhnlich mit etlichen Geweihlängen Abstand nebeneinanderher. Sollte immer noch keiner klein beigeben, wirbeln die Kontrahenten plötzlich wie auf ein Zeichen gleichzeitig um 90 Grad herum und lassen ihre Stirnwaffen aufeinanderkrachen. Es kommt hierbei zwar immer wieder zu teils tödlichen Verletzungen, doch grundsätzlich handelt es sich um eine entschärfte Art von Auseinandersetzungen, welche unter dem Stichwort „Kommentkampf“ zusammengefasst werden. Die Verhaltensbiologie nutzt bei der Namensgebung mit „Comment“ einen Begriff aus dem Verbindungswesen, unter welchem die Verhaltensregeln innerhalb einer studentischen Gemeinschaft zusammengefasst werden. Im Bereich der Zoologie zeichnet sich ein solcher Kommentkampf durch seinen vorhersehbaren und stark regelhaften Verlauf aus, bei dem durch Unterwerfungsgesten und Mechanismen zur Aggressionshemmung das Gefahrenpotenzial für die Austragenden verringert wird. Früher oder später resigniert einer der beiden Hirsche und wendet sich in einem Moment verminderter Kampfintensität zur Flucht. Der überlegene Kontrahent reißt daraufhin das Haupt nach oben und beantwortet die Niederlage seines Gegners mit reflexhaftem Röhren, was diesem in der Regel die unbehelligte Flucht ermöglicht. Untersuchungen mittels Zeitlupe legen den Schluss nahe, dass die oben geschilderten Verhaltensweisen essenziell für das Zustandekommen eines Brunftkampfes sind und Abweichungen zu einem sofortigen Abbruch des Prozederes führen.
Im Hormonrausch 
Während des Brunftzeitraums versuchen Hirsche nicht nur mittels Körpersprache und Rufen ihre Überlegenheit zu demonstrieren, sondern kommunizieren zudem über Gerüche. Der für die olfaktorischen Markierungen genutzte Urin enthält beispielsweise das Hormon Androsteron, welches als Stoffwechselprodukt von Testosteron eine wesentliche Rolle für den Geschlechtstrieb und die Herausbildung sekundärer Geschlechtsmerkmale spielt. Bei uns Menschen beeinflusst es zusammen mit anderen Hormonen Dinge wie den einsetzenden Bartwuchs oder die tiefer werdende Stimme in der männlichen Pubertät. Das Geschlechtspheromon ist ausgesprochen geruchsintensiv, weshalb es in der Hochbrunft auch von der vergleichsweise unempfindlichen menschlichen Nase wahrgenommen wird. Wem beim Aufbrechen eines brunftigen Hirsches schon einmal schlecht wurde, kann sich an dieser Stelle zumindest damit trösten, dass andere schon vermutlich weitaus Ärgeres aushalten mussten. Androsteron ist nämlich ebenso im menschlichen Harn enthalten und konnte 1931 als erstes Steroidhormon isoliert werden. Für 50 Milligramm mussten die zuständigen Laboranten lediglich 25.000 Liter an männlichem Harn destillieren. Angesichts dieser netten Vorstellung sollten wir unsere Aufmerksamkeit wohl lieber zurück auf die Hirschlein lenken: Wie schon gesagt, werden beim Rotwild die Männchen früher brunftig als die Weibchen, weshalb das Balzgehabe des Platzhirsches nicht zuletzt auch der Abstimmung mit den Tieren seines Rudels dient. Ist ein Stück paarungsbereit, bleibt es mit gesenktem Haupt sowie angewinkelten Hinterläufen stehen. Der nachfolgende Hirsch beleckt kurz sein weibliches Gegenüber, um wenig später aufzureiten. Der Körperhaltung des Tieres kommt anscheinend entscheidende Signalwirkung zu, denn brunftige Hirsche versuchen es mitunter auch bei männlichen Artgenossen, die verletzungsbedingt eine ähnliche Position eingenommen haben. Die Zeugung im eigentlichen Sinne erfolgt zu einem etwas späteren Zeitpunkt, da die Hülle der Eizelle erst nach ungefähr 24 Stunden platzt. Sollte jedoch eine Befruchtung ausbleiben, können pro Brunft höchstens sechs solcher Eisprünge mit jeweils ungefähr 18 Tagen Abstand stattfinden. 
Nach den Wochen höchster Betriebsamkeit ziehen sich die Hirsche am Ende der Brunft wieder zurück in die Heimlichkeit. Vor der kalten Jahreszeit müssen sie, die gerade eine radikale Abmagerungskur hinter sich haben, versuchen, noch schnell genug Energiereserven für den langen Winter aufzubauen. Auch die aufregendste Brunft hat nun einmal ein Ende. Genauso wie dieser Artikel, welcher aber hoffentlich nicht ähnlich anstrengend zu lesen war.