Fischzug durch die Geschichte
Die einfachste und zugleich älteste Beziehung zwischen dem Weidwerk und der Fischerei besteht in der Gewinnung von Nahrungsmitteln direkt aus der Natur. Gleich wie bei der Jagd auf Landtiere erarbeiteten sich unsere Vorfahren geschickte Techniken, um ihre Chancen beim Fang von Wasserbewohnern zu erhöhen. So kann etwa der Angelhaken schon auf eine lange Karriere zurückblicken, wie der Fund eines 16.000 bis 23.000 Jahre alten derartigen Fragments auf Osttimor beweist. Dass sich die prähistorischen Bewohner von Küstengebieten ebenso auf das Sammeln von Meeresfrüchten verstanden, zeigen die sogenannten „Kjökkenmoddinger“, bei denen es sich nicht um die neueste Serie von praktischen Ikea-Regalen, sondern um Haufen aus Muschelschalen und anderen Abfällen handelt. Die als Erstes in Dänemark untersuchten und daher mit skandinavischem Charme benannten prähistorischen Müllhalden finden sich rund um den Erdball in Gebieten, in denen sich die Gezeitenfischerei betreiben lässt.
Mancherorts wurden die künstlich errichteten Hügel von Jäger- und Sammlerkulturen sogar für Bestattungen genutzt, was eine rituelle Komponente beim gemeinschaftlichen Verzehr von Fischen und Schalentieren nicht ausschließen lässt. Bereits in der klassischen Antike trat neben dem Aspekt der Nahrungsbeschaffung auch jener der Erholung und Muße dazu, wobei es sich freilich nur verhältnismäßig Wohlhabende leisten konnten, dem Angeln als reine Freizeitbeschäftigung nachzugehen. Immerhin sollen die Römer dabei schon eine Form des Fliegenfischens gekannt haben. Funde aus Thüringen zeigen, dass auch die Germanen jenseits des Limes eifrig Binnenfischerei betrieben. In der Nähe der thüringischen Gemeinde Oberdorla kamen neben den Überresten eines über viele Jahrhunderte von der Hallstattzeit bis ins Mittelalter genutzten Opfermoores ebenso zahlreiche Fischfanggeräte bei archäologischen Grabungen zutage. Der torfige Boden dort hatte typische Utensilien wie Reusen, Haken und Fischspeere, aber auch heute eher unbekannte Fischereiwerkzeuge wie Keulen und Schlaghaken konserviert. Die Keulen wurden wohl für das Hechtschlagen eingesetzt, bei dem im Winter Fische durch einen kräftigen Schlag aufs Eis über ihnen betäubt wurden.
Im Frühjahr suchen Hechte zum Laichen Überschwemmungsgebiete und andere Randzonen von Gewässern auf, von wo sie mittels der hölzernen Schlaghaken aufs Trockene geholt werden konnten. Wahrhaft viel an Land gezogen hat laut biblischer Überlieferung auch ein gewisser Simon Petrus am See Genezareth. Das in Lukas 5,1 bis 11 sowie Johannes 21,1 bis 14 geschilderte Wunder vom gewaltigen Fang des späteren Menschenfischers gab dann in späteren Jahrhunderten bekanntlich den Anlass zu der nach ihm benannten Gruß- und Glückwunschformel.
Im Mittelalter wurde die Fischerei ähnlich der Jagd regalrechtlich geregelt, wobei lokalen Würdenträgern, Klöstern und dergleichen die Verfügungsgewalt über bestimmte Gewässer zugeteilt wurde. Als Fastenspeise kam den geschuppten Wasserbewohnern das ganze Mittelalter hindurch bis weit in die Neuzeit hohe Bedeutung zu, was sich unter anderem in den zahlreich angelegten Zuchtteichen niederschlug. Das Angeln dürfte aber auch in Zeiten des Minnesangs ein nicht unbeliebter Freizeitspaß gewesen sein, wie eine Abbildung im berühmten Codex Manesse aus dem 14. Jahrhundert verdeutlicht. Neben zahlreichen fantasievollen Autordarstellungen mit Kampf-, Turnier- oder Jagdmotivik findet sich darin eine Pergamentseite, auf der „Herr Pfeffel“ an der Seite einer holden „Frouwe“ fröhlich die Rute schwingt.
Rund zweihundert Jahre später ging Kaiser Maximilian der Fischerei nach, wenn er sich nicht gerade auf der halsbrecherischen Gamsjagd vom schwierigen Geschäft als Oberhaupt des Heiligen Römischen Reiches erholte. Da dem umtriebigen Habsburger der Erhalt der Fischbestände ebenso wie der des Wildes am Herzen lag, ließ er ein eigenes Lehrbuch über die nachhaltige Bewirtschaftung seiner fürstlichen Gewässer verfassen und aufwendig illustrieren. Tierischen Konkurrenten wie Ottern oder Kormoranen konnte der letzte Ritter noch bedenkenlos den Fehdehandschuh hinwerfen und ordnete an, den Fischdieben auf zwei Beinen, gleich wie jenen auf vier, scharf zu Leibe zu rücken. In größeren Städten wurde der Fischfang meist über eigene Zünfte organisiert. Gesetzliche Bestimmungen zum Umgang mit Netzen, Reusen, Angeln und Co. existieren seit dem Spätmittelalter, wo von landes- und grundherrlicher Seite erste schriftlich fixierte Fischereiordnungen erlassen wurden, worin Schonzeiten und Mindestmaße festgelegt waren. Da man sehr praktisch dachte und bei Weitem nicht jeder Untertan lesen konnte, wurden mit den sogenannten „Brittlmaßen“ zum Beispiel gleich leicht (an-)fassbare Knüpfvorlagen für die Netzmaschen geschaffen.
Wer wann, wie und wo fischen durfte, war innerhalb des Heiligen Römischen Reiches mit seinen vielen Kleinstaaten sehr unterschiedlich geregelt, wobei mitunter eine Vielzahl an Institutionen mitmischte. So verbot die Universität Landshut etwa ihren Studenten 1804 den Griff zur Rute. Ob die Professoren hierbei nun aus Sorge um die (womöglich eigenen) Fischgründe handelten oder lediglich die an heiteren Sommertagen weniger eifrigen Studiosi vom Flussufer in den Hörsaal treiben wollten, lässt sich nur mehr vermuten. Die fortschreitende Industrialisierung im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts machte großangelegte Flussbegradigungen möglich, welche gemeinsam mit der uneinheitlichen Regulierung und dem Wachstum der fischhungrigen Bevölkerung einen starken Rückgang der Bestände verursachten. Im Bemühen, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, entstanden nach englischem Vorbild auch in Mitteleuropa Vereine wie der 1855 in München gegründete Fischer-Club. Es waren dann solche Vereinigungen, die sich um Dinge wie den Gewässerbesatz kümmerten und hierbei auch neue Arten wie die Regenbogenforelle aus Nordamerika einführten. Nach Phasen der Stagnation infolge der beiden Weltkriege erlebte die Freizeitfischerei einen ungeahnten Aufschwung, was das Angeln in unseren Breiten endgültig zu einer Art Volkssport machte.
Fischen in guter Gesellschaft?
So viel also zur Geschichte, doch wie schaut’s mit dem Status quo aus? Das Fischen mag ja genauso wie die Jagd eine seit Jahrtausenden praktizierte Kulturtechnik mit tiefgreifender Bedeutung für Natur- und Artenschutz sein. Ebenso wie beim Weidwerk erschließt sich in diesen modernen Tagen mit ihren Vorstellungen von lila Milchkühen und Kunstfleischkreationen aber bei Weitem nicht jedem der tiefere Sinn solch archaischer Gepflogenheiten der Lebensmittelbeschaffung. Man kann doch schließlich auch ganz einfach sein Essen beim freundlichen Großkonzern nebenan kaufen, ohne dafür selbst armen Tieren ans Leder zu müssen! Wenn auch die „Erlegung“ von Fischen für den skeptischen Außenstehenden im Vergleich zur Jagd weit weniger blutig erscheinen mag, wurde in den letzten Jahren deutliche Kritik am heimischen Fischfang hörbar. Nicht nur das Weidwerk, sondern ebenso die Fischerei benötigt also engagierte Fürsprecher, wenn sie nicht an den gesellschaftlichen Rand gedrängt werden will. Dabei scheint es auch innerhalb der Fischerzunft Unstimmigkeiten zu geben, zumindest was den Umgang mit dem traditionellen „Petri Heil“ angeht. Nicht etwa die Erwähnung des Apostels und ersten Bischofs von Rom ist hier Stein des Anstoßes, sondern der zweite Teil der Grußformel, welcher bekanntlich von den Nationalsozialisten für ihre Zwecke fleißig missbraucht wurde. Aufgrund dieser Kontamination sei der Ausdruck nicht mehr zeitgemäß, auch wenn er schon lange vor den Massenverbrechen des 20. Jahrhunderts bestanden hat. Aufgeklärte Angler stellen daher ihre politische Korrektheit mit einem weltmännischen „tight lines“ oder einem lässig-knappen „Petri“ unter Beweis. Ähnlich wie bei der Diskussion ums „Berg Heil“ fordern besonders freie Geister sogar die (juristische) Ächtung der althergebrachten Gruß- und Glückwunschformel.
Der Vergleich mit der Nachbardomäne offenbart, dass hier im Weidwerk durchaus Ver(schlimm)besserungspotenzial besteht. Aber was würde sich da bloß als harmlose und garantiert überhaupt nicht lächerliche Alternative zum unzeitgemäßen „Weidmannsheil“ anbieten? Abkürzungen wie „Weidihei“ oder „WeiHei“ versprühen zwar kindlichen Charme, können aber akustisch leicht mit chinesischen Städtenamen verwechselt werden. Außerdem würde das den unartigen Wortbestandteil lediglich kaschieren. Also gleich etwas Neues, garantiert Heilloses? Mit dem erstrebten Blattschuss im Kopf könnte man sich auch „Gut Blatt“ wünschen, doch den Spruch haben sich leider schon die Skatspieler reserviert. Vielleicht zeigt ja das „Berg frei“ der Naturfreunde einen Ausweg aus der Misere? „Weidmannsfrei“ klingt aber wiederum eigentlich eher nach einem Schlachtruf von Jagdgegnern, die sich Wald und Feld von jedweden dem Wild nachstellenden Personen befreit ersehnen. Bliebe noch das Ausweichen auf eine Fremdsprache. Aber wie sollte man sich da objektiv entscheiden zwischen „good hunt“, „bonne chasse“ und „buena caza“ oder was der Google-Übersetzer sonst so ausspuckt? Einfach so eine Version vorzuziehen, könnte immerhin die anderen Idiome kränken. Ehe ein findiger Sprachpurist (etwaige Vorschläge an die Redaktion werden dankend angenommen) mit einer tauglichen Alternative aufwartet, wird uns fürs Erste also weiter nichts anderes übrigbleiben, als zähneknirschend beim „Weidmannsheil“ zu bleiben. Noch einmal Glück gehabt.
Bevor jetzt Spitzfindigkeiten und Wortklaubereien überhandnehmen, sollten wir lieber zu dem zurückkehren, was unseren Ernst verdient: die Bedingungen von Fischerei und Jagd in der wirklichen Welt. Ein paar konkrete Zahlen können hier für Einschätzungszwecke nicht schaden. Laut den Herausgebern von Fischer Trend Report fanden sich in Österreich 2021 an die 200.000 aktive Fischer, wobei als Kriterium das Lösen von mindestens einer diesbezüglichen Lizenz im Jahr festgelegt wurde. Ausgehend von diesen Zahlen betrug der Anteil an der hiesigen Bevölkerung somit 2,3 Prozent. Demgegenüber stellen die mehr als 130.000 Jagdkarteninhaber um die 1,5 Prozent der österreichischen Gesamtpopulation. In Deutschland machte der Anteil der Fischer an der Bevölkerung 2021 um die 9,4 Prozent aus, während sich derjenige an Jägern ungefähr auf 0,5 Prozent belief. Laut einer auf Studien basierenden Hochrechnung schafften es die Ausgaben, welche die Petrijünger der Bundesrepublik im Durchschnitt für ihre Passion jährlich tätigen, auf eine stattliche Summe zwischen 920 und 1.590 Euro pro Nase.
Gleich wie die Jagd stellt das private Fischen also auch einen wesentlichen ökonomischen Faktor dar. Um dem Ganzen noch einen kulinarischen Beigeschmack zu geben, kann noch darauf verwiesen werden, dass laut Statistik Austria allein in Österreich pro Jahr ungefähr 1.000 Tonnen Besatzfische in die Gewässer entlassen werden. Als grober Richtwert auf die vorhin erwähnten 200.000 Lizenzinhaber umgelegt, macht das fünf Kilogramm für jeden aus. Gemessen an den acht Kilo an Flossenträgern, die sich Herr und Frau Österreicher jährlich immer so einverleiben, stellt dies letztendlich nur einen Bruchteil des Gesamtkonsums dar, da insgesamt nur sechs Prozent der erforderlichen Menge im Land selbst produziert werden. Der Anteil von Wildbret am Fleischkonsum in Österreich, der sich ja nicht zu stark vom bundesdeutschen unterscheiden dürfte, spielt mit ca. 0,7 Prozent ebenso keine große quantitative Rolle. Für beide Sparten erscheint es umso wichtiger, auf die hohe Qualität des von ihnen erzeugten Lebensmittels hinzuweisen.
Vom Reiz zum Schmerz
Wem bereits vor lauter blanken Zahlen der Kopf schwirrt, sei beruhigt. Jetzt geht es nämlich mit der Frage nach dem Schmerzempfinden von Fischen ins moralisch-biologische Fahrwasser. Bis heute konnte nämlich nicht hinreichend geklärt werden, wie Fische Schmerzreize verarbeiten. Von besonderer Bedeutung ist diese Frage in Hinblick auf das Wiederaussetzen angehakter Exemplare, auf Englisch „catch and release“ genannt. Da der Fischer im Unterschied zum Jägersmann seine potenzielle Beute in der Regel nicht im Voraus begutachten kann, ergibt sich häufig schon allein aus den gesetzlichen Fangbestimmungen die Notwendigkeit, ungewollt gefangene Exemplare vom Haken zu lassen. Im jagdlichen Bereich lässt sich ein solches Vorgehen noch mit Situationen vergleichen, in denen man beim Anblick nicht zur Büchse greift, weil das entsprechende Stück noch Schonzeit hat oder nicht mehr im Abschussplan frei ist. Bei der sportlichen Ausprägung des Angelns, bei der die Herausforderung des Fangs allein im Fokus steht und jeder Fisch wieder ausgesetzt wird, fängt der Vergleich stark zu hinken an. Ein einmal abgefeuerter Schuss kann eben nicht wie eine Leine einfach wieder zurückgeholt werden. Allerdings ähneln sich das Fischen und die Jagd mittels Lebendfallen in gewisser Weise, da bei Letzterer sehr wohl die Möglichkeit besteht, ein festgesetztes Wildtier wieder freizulassen. Dass Marder, Füchse und Co. Schmerz und Angst empfinden können, lässt sich klar aus ihrem Verhalten und ihrer Anatomie ableiten, weshalb beim Fang der kleinen Räuber aus offensichtlichen moralischen Gründen mit besonderem Bedacht vorgegangen werden muss. Bei den stummen Kiemenatmern mit ihrem so grundsätzlich von jenem der Säugetiere abweichenden Körperbau kann aber eben kein so eindeutiges Urteil gefällt werden.
Um zu verstehen, warum bei der Diskussion um „catch and release“ in recht trüben Wassern gefischt wird, ist ein Ausflug in die lustige Wissenschaft vonnöten. Als Erstes muss zwischen der bloßen Wahrnehmung von schädlichen Reizen auf der einen und einem ausgeprägten Schmerzbewusstsein auf der anderen Seite unterschieden werden. Wie alle Wirbeltiere verfügen Fische über Rezeptoren, welche die Wahrnehmung schädigender Umwelteinflüsse weiterleiten. Beim Menschen schicken diese als „Nozizeptoren“ bezeichneten Schaltstellen die Reizinformation über die Nervenbahnen an die Großhirnrinde, wo sie dann zu einer Schmerzempfindung verarbeitet werden. Fische verfügen jedoch nicht über einen solchen Cortex cerebri in ihren Köpfen, was Anlass zu der Vermutung gab, dass sie über kein ausgeprägtes Schmerzempfinden verfügen und daher gleichsam nur reflexartig auf Schadreize reagieren. Gegner dieser Theorie halten dem entgegen, dass bei den ebenso cortexlosen Vögeln andere Hirnareale die Schmerzverarbeitung übernehmen. Indizien gegen eine bewusste Schmerzwahrnehmung von Fischen liefert wiederum die Zusammensetzung von deren Nervensträngen. Während sich etwa im menschlichen Nervensystem sowohl A-Delta- als auch C-Fasern finden, verfügen Fische kaum über letztere. Dieser Umstand ist von Bedeutung, da A-Delta-Fasern für die Weiterleitung primärer Schmerzeindrücke zuständig sind. Sie lösen über das Rückenmark Reflexreaktionen und kurze, als stechend empfundene Schmerzen aus. Demgegenüber sind die C-Fasern für weitaus stärkere und langanhaltendere Schmerzwahrnehmungen zuständig. Es liegt somit die Vermutung nahe, dass die in den Nervenbahnen der Fische seltenen C-Fasern essenziell für ein ausgeprägtes Schmerzbewusstsein sind. Da verschiedene Experimente an Fischen mit Schmerzreizen und Betäubungsmitteln laut Forschern wiederum sehr wohl auf eine Leidwahrnehmung hindeuten, bleibt die Angel-Angelegenheit weiter umstritten. Für uns ist auf alle Fälle aber klar ersichtlich, dass Jagd und Fischerei eine weitere Gemeinsamkeit in ihrer Beziehung zur Wissenschaft sowie der besonderen Verantwortung gegenüber der Tierwelt haben.
Ein großer Papierkrieg um kleine Freibeuter
Während sich die Petrijünger den Kopf zerbrechen, ob und wie sie ihren Fang wieder zurück ins Wasser setzen sollten, machen es sich andere einfach und verleiben sich ihre Beute stets ohne großes Prozedere selbst ein. Auf Schonzeiten und Angelscheine verschwenden sie bei der Stillung ihres ordentlichen Appetits, der täglich ein Zehntel des eigenen Körpergewichts ausmachen kann, keinen Gedanken. Manche mögen es jetzt schon geahnt haben: Die Rede ist hier nicht von gefräßigen Schwarzfischern mit einer Vorliebe für Sashimi, sondern natürlich von unserem Freund, dem Fischotter. Dieser steht nach Jahrhunderten der intensiven Bejagung – wir erinnern uns an Kaiser Maximilian – nun unter Artenschutz und scheint ordentlich an Oberwasser zu gewinnen. Allein in den Flüssen, Seen und Teichen des Bundeslandes Salzburg, welches uns hier rein zufällig als Beispiel dienen soll, dürften sich 2023 laut dem Sprecher des hiesigen Landesfischereiverbands mindestens 300 der umtriebigen Wassermarder getummelt haben. Den bis zu zwölf Kilogramm schweren Raubtieren würden laut seiner Schätzung jährlich mehr als eine Tonne an Fischen zum Opfer fallen, was einem wirtschaftlichen Schaden von 1,3 Millionen Euro entspricht.
Züchter und Angler sehen angesichts dieser Umstände seit Jahren ihre Felle davonschwimmen und machen daher Druck auf die Landesregierung, welche 2022 mit einer Ausnahmeverordnung zur Bejagung des Fischotters reagierte. In 25 der 49 Wildregionen des Bundeslandes dürfen nunmehr bis Ende Dezember 2024 ganze 19 Wassermarder jeweils pro Kalenderjahr mittels Falle oder Langwaffe erlegt werden. In den vier Wildregionen entlang der Salzachauen sind jedoch insgesamt nur zwei Stück pro Jahr frei. Dem Entschluss zur Entnahme einiger der putzigen kleinen Pelzträger brauste im Gefolge einer dementsprechenden medialen Berichterstattung selbstredend gleich eine gesalzene Brise der öffentlichen Entrüstung entgegen.
Dabei scheint das idyllische Otterleben bisher eher selten durch gemeine Jägersleute gestört zu werden: Laut Meldungen wurden 2023 bis November beispielsweise lediglich fünf von 19 in dem Jahr zulässigen Stücken erlegt. Sind die Bestandszahlen also doch nur gering und eine Bejagung daher ungerechtfertigt, wie eine Landtagsabgeordnete der Grünen daraufhin suggerierte? Ein kurzer Blick in die Bestimmungen der Verordnung zeigt, dass dieses Argument in typischer (Stimmen-)Fischermanier einen ordentlichen Haken hat. Wer sich nämlich als Otterjäger versuchen möchte, muss erst noch den Ritt am Amtsschimmel meistern. Von Februar bis einschließlich November dürfen nur Otter mit einem Gewicht unter vier und jene mit über acht Kilogramm gestreckt werden.
Da nach dem Kenntnisstand der Redaktion noch kein Zielfernrohr mit integrierter Fernwaage entwickelt wurde, macht diese auf den Schutz von Muttertieren abzielende Regelung den Einsatz von Lebendfallen für die meiste Zeit des Fischotterjagdjahres wohl unabdingbar. Bevor man den Fangschuss antragen kann, muss man also im wahrsten Sinne des Wortes erst einmal gründlich abwägen. Also wird doch manchmal „catch and release“ bei der Jagd betrieben! Lediglich im Dezember und Jänner braucht auf das Gewicht bzw. das Geschlecht der Tiere nicht geachtet zu werden. Wer den erforderlichen achtstündigen Kurs absolviert hat und eine Lebendfalle für die flinken Wasserräuber in seinem Revier aufstellt, muss deren Standort innerhalb von 24 Stunden an die zuständige Abteilung der Landesregierung weiterleiten. Mit der Bürokratie ist es hier noch lange nicht getan, denn bei erfolgreichem Fang muss ebenso eine schriftliche Meldung innerhalb Tagesfrist erfolgen, gleichgültig, ob der Otter wieder freigelassen oder erlegt wurde. Im letzteren Fall ist der erfolgreiche Jäger noch zur unaufgeforderten Grünvorlage beim Hegemeister binnen 48 Stunden sowie zur fachgerechten Aufbewahrung des Wildtierkörpers einschließlich des Aufbruchs für 72 Stunden verpflichtet.
Wenn dazu aufgefordert, muss er seine Beute zudem den Vertretern des Landes zwecks Kontrolle und Datenerhebung zur Verfügung stellen. Darüber hinaus hängt die Zulässigkeit der Erlegung noch davon ab, ob nachgewiesen werden kann, dass vorher eine tagesaktuelle Abfrage des noch freien Fischotter-Kontingents über das digitale Informationssystem der Salzburger Jägerschaft eingeholt wurde. Wer alles richtig gemacht hat und sich seine rechtmäßig erworbene Trophäe präparieren lassen möchte, braucht dann abschließend nur noch eine dem Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) entsprechende Bescheinigung bei der Abteilung für Natur- und Umweltschutz in Salzburg zu beantragen. Im Übrigen wurden laut dem Jagdinformationssytem (JIS) dieses Jahr mit Stand 14. Juni immerhin schon elf von 19 freigegebenen Fischottern in Salzburg erlegt. Für 2025 plant die Landesregierung einen Ausbau des entsprechenden Gesetzes.
Alaska … wenn es Lachse regnet
Wie wir schon gesehen haben, sind die Beziehungen zwischen Jagd und Fischerei vielfältig. Die wohl faszinierendste Interaktion der beiden Bereiche findet im Rahmen eines herausragenden Naturschauspiels im hohen Norden Amerikas statt. Jedes Jahr zieht es Abertausende von Lachsen zurück an die Gewässer ihrer Geburt an den Oberläufen der Flüsse Alaskas und Nordwestkanadas. Zweck der strapaziösen und gefährlichen Reise ist das Ablaichen, nachdem die völlig erschöpften Fische verenden. Doch zahlreiche Keta-, Buckel- oder Silberlachse erreichen erst gar nicht ihre Fortpflanzungsareale, da sie von Grizzly- und Schwarzbären als hochwillkommene Kraftnahrung vor der entbehrungsreichen Winterszeit aus den Flüssen gefischt werden. Meister Petz zeigt sich dabei entgegen seiner sonstigen Art durchaus wählerisch, da oftmals nur die fettesten Teile der erbeuteten Fische vertilgt werden. Eine Untersuchung an 20.000 zurückgelassenen Lachskadavern hat ergeben, dass durchschnittlich jeweils nur ungefähr ein Viertel der Körpermasse eines jeden Fangs in den Bärenmagen wandert. Besonderer Beliebtheit erfreut sich dabei der Rogen.
Die Fischeier werden sogar derart geschätzt, dass die Feinschmecker unter den Grizzlys männliche Lachse einfach unberührt liegen lassen. Ein solches Luxusleben können sich freilich nur die stärksten und somit dominanten Exemplare leisten, da sich diese die ergiebigsten Flussabschnitte sichern. Ihre schwächeren Artgenossen müssen sich etwas mehr anstrengen und verwerten daher größere Anteile des einmal gemachten Fangs, wobei sie die Fische häufig weg von den Uferbänken tragen, um ungestört im Wald fressen zu können. Bei allem Futterneid sind aber grundsätzlich genug Lachse da, damit sich jeder Bär eine ordentliche Fettreserve für die Winterruhe anfressen kann. Die starken Pranken stechen dabei die besten Angelruten aus: Wissenschaftler konnten bei dem vorhin erwähnten Forschungsprojekt eine Bärin beobachten, welche in acht Stunden mehr als 40 Fische zu erbeuten vermochte. Der Tagesfang des auf ungefähr 200 Kilogramm geschätzten Weibchens betrug somit um die drei Viertel ihres Körpergewichts.
Auf den ersten Blick mag das Verhalten der Bären in Alaska und Nordwestkanada wie eine bloße verschwenderische Laune der Natur erscheinen. Bei genauerer Betrachtung offenbart sich mithilfe neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse jedoch, welch bedeutende Rolle den fischhungrigen Großraubtieren als Scharnier in einem gewaltigen ökologischen Kreislauf zwischen Land und Meer zukommt. In den Körpern der verschiedenen Lachsarten sind mit Stickstoff und Phosphor zwei für das Pflanzenwachstum essenzielle Elemente gespeichert. Auf ihrer Reise zu den Laichgründen transportieren die Salmoninae ihre wertvolle Fracht von den Weiten des Pazifiks ins Landesinnere, wo es das Wachstum der borealen Nadelwälder fördert. Die Lachse verenden zwar ohnehin nach der Laichablage, doch würde ohne die Bären der Großteil der wertvollen Mineralien und Nährstoffe mit dem Flusswasser wieder in den Ozean getragen werden. Über ihre Ausscheidungen verteilen Grizzlys und Co. dann den maritimen Dünger in den Wäldern, wobei laut Berechnungen jedes Exemplar jährlich ganze 40 Kilogramm Stickstoff in der Gegend verstreut.
Doch nicht nur Meister Petz hat einen grünen Daumen, auch zahlreiche andere Tierarten vom Fuchs bis zur Fliege tun sich an den von den Bären zurückgelassenen Fischen gütlich und tragen Phosphor sowie Stickstoff ebenso mit sich herum, bis sie ein dringendes Gefühl kurz zum Halten zwingt. Auf diese Weise profitiert neben der Fauna auch die Flora des amerikanischen hohen Nordens vom Paarungsverhalten der Lachse. So wachsen Bestände der Sitka-Fichte, welche in der Liste der US-amerikanischen Staatsbäume Alaska repräsentiert, an Ufern von Flüssen mit Lachslaichgebieten um das Dreifache schneller als an lachsfreien Gewässern. Chemische Untersuchungen zeigten, dass gut 70 Prozent des in den Nadeln solcher Uferwälder enthaltenen Stickstoffs aus dem Meer stammten. Das geförderte Baumwachstum wirkt sich wiederum positiv auf die Überlebenschancen in der nächsten Generation an Lachsen aus, da die Äste das Wasser durch ihren Schatten kühler und somit sauerstoffreicher machen. Außerdem bietet in den Bach gefallenes Totholz den Jungfischen gute Deckung, während diese, zum Teil von den Überresten ihrer Eltern gestärkt, heranwachsen. Noch vor wenigen Jahrzehnten wurde von einer einseitigen Beziehung zwischen den landgebundenen und marinen Ökosystemen ausgegangen, bei der hauptsächlich organisches Material und Mineralien vom Trockenen in die See gespült wurden. Heute weiß man aber, dass die Wanderung der Lachse für ein umgekehrtes Verhältnis sorgt. Aus diesem Grund greift man in manchen Gegenden mittlerweile zu ungewöhnlichen Mitteln: Um den infolge eingebrochener Lachsbestände verringerten natürlichen Stickstoffeintrag zu kompensieren, werden Tonnen an Fischkadavern künstlich ins Ökosystem eingebracht. Im US-Bundesstaat Washington hat man tote Lachse sogar per Hubschrauber abgeworfen.
Die Beziehungen zwischen Jagd und Fischerei sind vielfältig und schließen eine breite Palette an Themenfeldern ein. Von geschichtlichen Zusammenhägen über die Frage des Schmerzempfindens bis hin zum ökologischen Kreislauf in amerikanischen Wäldern wurde ersichtlich, dass es beim Fischen immer auch um die direkte Auseinandersetzung des Menschen mit den Erscheinungen der Natur und die sich daraus ergebende Verantwortung geht. In dieser grundsätzlichen Beziehung zur Umwelt gleichen sich Jagd und Fischerei, da beide Felder so eine Bedeutung weit über eine reine Freizeitbeschäftigung hinaus erlangen. Wenn sich auch die Methoden unterscheiden mögen, unsere Ziele sind im Grunde die gleichen.