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„Alles neu macht der Mai …“ So heißt es nicht von ungefähr in der zum Sprichwort gewordenen Anfangsstrophe eines Volksliedes aus der Feder Hermann Adam von Kamps. Der zu der Melodie von Hänschen klein gesungene Text mag zwar recht naiv daherkommen, vermittelt dabei aber nichtsdestoweniger eine zeitlose Wahrheit. Denn alljährlich vollzieht sich in dieser Zeit das uralte und doch immer wieder wundersam-neue Schauspiel des Aufblühens von Flora und Fauna. Die Gültigkeit der 1818 niedergeschriebenen Binsenweisheit erstreckt sich selbstredend ebenso auf das Jagdwesen und so hält schon mitunter ein gutes Zeiterl vor dem Wonnemonat eifrige Betriebsamkeit Einzug ins Revier. Im Kontext dieses frühlingshaften Elans erwacht mit beinah astronomischer Gewissheit auch die Diskussion um Sinn oder Unsinn der Maibockjagd aus ihrem Winterschlaf. Um also in diesen herausfordernden Zeiten wenigstens den natürlichen Jahreskreislauf weidmännischer Kommunikation aufrechtzuerhalten, widmet sich dieser Artikel nun der Frage nach den positiven Einflüssen der Maijagd auf die Rehwildbestände. Ein kleiner Perspektivenwechsel kann da durchaus frischen Wind in ein altbekanntes Problem bringen.

Vom seltenen Spezialisten zum aufsteigenden Kulturfolger

Zu Beginn erscheint es zweckdienlich, sich kurz der Ausbreitungsgeschichte und der heutigen Lebensweise des Rehs zu widmen. Die Untersuchung von Fossilienfunden ergab, dass die Art in ihrer heutigen Form seit 21.000 bis 17.000 Jahren existiert. Über Jahrtausende hinweg scheint sich das Reh ausgehend von Spanien und Portugal in Europa verbreitet zu haben, wobei die Bestandsdichten noch relativ gering ausgefallen sein dürften. Auf dem Speisezettel unserer steinzeitlichen Vorgänger fand sich nur selten Rehwild und wie Ausgrabungen an einer Pfahlbausiedlung in der Umgebung von Zürich zeigten, wurden dort noch in der ausgehenden Bronzezeit beispielsweise weitaus mehr Bären oder Auerochsen als Rehe erlegt. Da die Überreste von Böcken, Geißen und Kitzen, welche vergleichsweise einfach und ohne große Gefährdung zu bejagen waren, nur spärlich vorhanden sind, lässt sich schlussfolgern, dass jene Wildgattung damals noch in nur sehr kleinen Beständen vorkommen konnte. Jahrhunderte später taucht das Rehwild in den jagdbezogenen Aufzeichnungen barocker Fürsten nur selten auf, was jedoch mit seinem für die Potentaten weniger prestigeträchtigen Status als Niederwild zu tun haben könnte. Die Umweltbedingungen dürften bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts recht ungünstig für die zierlichen Geweihträger gewesen sein, da mit dem Rotwild ihre weitaus größeren und somit dominanteren Verwandten teilweise massive Hege erfuhren und ihnen den Lebensraum abspenstig machten. Ein weiterer wichtiger Punkt bestand in der intensiven Nutzung von Wäldern und ihren Randzonen als Weidegründe für das bäuerliche Vieh. Die negativen Einflüsse sorgten zum Beispiel in der Schweiz dafür, dass das Reh gegen 1809 dort beinah ausgestorben wäre. Als sich im Laufe des 19. Jahrhunderts die traditionellen Nutzungsformen allmählich zugunsten einer modernen Waldökonomie änderten, entfiel die Nahrungskonkurrenz und gleichzeitig kam es zu einer Regulation der herrschaftlichen Hochwildbestände. In der Folge konnte sich das Reh stärker vermehren. Seine Eigenschaft als weniger scheuer Kulturfolger ermöglichte es ihm, sich im Zuge der voranschreitenden Industrialisierung der Landwirtschaft an die geänderten Verhältnisse anzupassen, was noch einmal wesentlich zu seiner weiten Verbreitung beitrug.

So viel nun zur Geschichte dieser niedriggebauten Schalenwildgattung. Doch was hat das Ganze mit dem Maibock zu tun? So viel sei schon gesagt: Die Maijagd kann, richtig verstanden, ein effektives Instrument bei der Regulierung und Aufwertung des Bestandes darstellen. Wer in diesem Sinne in die Populationsstruktur des Rehwildes in seinem Revier eingreift, möchte natürlich einen ungefähren Überblick über die Zahl der Stücke haben. Immerhin beruht der zu genau diesem Zweck erstellte Abschussplan auf der Schätzung der Bestandszahlen. Genau hier beginnen jedoch die Schwierigkeiten, da sich Rehgeiß und Co. durch ihre auf dem Schlüpfen durchs Unterholz basierenden Lebensweise häufig den zählenden Augen des Weidmanns entziehen. Hieraus ergeben sich nicht selten erhebliche Fehleinschätzungen bezüglich der tatsächlichen Bestandszahlen. Ein Beispiel von der dänischen Halbinsel Kalø verdeutlicht die Problematik: 1953 wurde dort zu Forschungszwecken sämtliches Rehwild erlegt, wobei die Gesamtstrecke letztendlich ein Dreifaches der von mehreren Experten angenommenen Menge betrug. Bei der darauffolgenden Wiederansiedlung der Wildart wurde darauf geachtet, jedes Stück mit einem Sender zu versehen. Anschließende Erhebungen zeigten, dass selbst bei intensiver Beobachtung nie mehr als die Hälfte aller im Revier vorhandenen Rehe an einem Tag gesichtet wurden. Hinzu kommt, dass sich die Qualität der Äsungsflächen oft stark unterscheidet, wodurch etwa sogar in einem 100 Hektar umfassenden Bergwald an die 30 Rehe unterkommen können, wohingegen andernorts vielleicht bereits 10 Exemplare auf 100 Hektar eine schädliche Überbevölkerung darstellen.

 

Vorteile des Maibocks – mehr als gedacht!

Wie gerade zu sehen war, ist das Rehwild eben immer für eine Überraschung gut. Wer da sichergehen will und im Sinne der Hege möglichst viele schwache Stücke im begrenzten Rahmen des Abschussplans erlegen möchte, sollte zeitig im Jahr mit der Jagd beginnen und so seine Chancen auf einen Anblick der richtigen Stücke steigern. In diesem Kontext sollte noch erwähnt werden, dass die Rolle der Vererbung zum Beispiel beim Geweihwachstum womöglich über- und diejenige von Einflüssen aus der Umgebung unterschätzt wird. Die positiven Auswirkungen eines Abschusses liegen, ganz grundlegend gesprochen, dahingegen auf der Hand, da so mehr Äsungsangebote für den Rest der Population zur Verfügung stehen. Wie man nun immer bei der Auswahl der in Frage kommenden Stücke vorgehen möchte, auch hier gilt ein altes Sprichwort: Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen! Wer schon relativ bald in der Saison einen guten Teil der nötigen Abschüsse vorgenommen hat, befreit sich selbst von einem nicht unwesentlichen Stück Druck und hat später mehr Zeit für die wirklich besonderen weidmännischen Unternehmungen.

 

Praktisches – „Lasst das Haus, kommt hinaus!“

Neben nüchtern-faktischen Vorteilen bietet die Jagd auf den Maibock noch den emotionalen Bonus, dem Weidwerk nach einer längeren Periode der Ruhe nun endlich wieder ungehindert in der freien Natur nachzugehen. Die Weidgerechtigkeit steht hierbei selbstverständlich an erster Stelle, doch stellt eine gute Portion aufrichtige Freude ein solides Fundament für das korrekte Handeln als Jäger zur Verfügung. Ein früher Start in die Rehjagdsaison – um auf den hoffentlich nicht zu harten Boden der praktischen Fakten zurückzukommen – bietet sich schon aufgrund der gesteigerten Aktivität des Wildes in den Monaten Mai und Juni an. Das Äsen erstreckt sich in dieser Phase des Jahreszyklus der Rehe oftmals bis in die Vormittagsstunden hinein, wodurch sich bessere Chancen auf einen guten Anblick ergeben. Insbesondere Schmalrehe und Jahrlinge treten während der ganzen für sie geltenden Schusszeit nicht mehr so gut sichtbar auf wie im Mai. Darüber hinaus lassen sich die jungen Exemplare auch ausgezeichnet ansprechen, was im Besonderen für Schmalrehe gilt. Diese unterscheiden sich recht klar von führenden Geißen, wenn man den Blick auf die Spinne wirft, welche sich bei Letzteren ja deutlich abhebt. Meist verrät aber schon die vergleichsweise dürre Statur einer Geiß ihren Status als Schmalreh. Auf jeden Fall wird das Beobachten der Körpermerkmale durch die in dieser Jahreszeit noch ziemlich niedrige Vegetation und die in der Regel guten Lichtverhältnisse erleichtert. Nichtsdestoweniger ist aber beim Ansprechen besondere Vorsicht geboten, da man ja aus naheliegenden Gründen das versehentliche Erlegen einer führenden Geiß unbedingt vermeiden möchte. Ein gewisses Restrisiko bleibt in dieser Beziehung jedoch immer bestehen, weswegen manche nachvollziehbarerweise in dieser Zeit gänzlich auf den Abschuss von Geißen verzichten. Mit Jahrlingen steht man ohnehin auf der sicheren Seite. Ein Ansitz oder gar eine Pirsch auf die jungen Böcke im Mai hat den Vorzug, dass diese von ihren revierbildenden älteren Artgenossen herumgescheucht werden, was einerseits ihre Sichtbarkeit erhöht und andererseits den Verglich des Körperbaus unter den Kontrahenten ermöglicht.

 

Wildschäden – „Wir durchziehen Saaten grün!“

Ein weiterer Aspekt der Maibockjagd stammt anscheinend aus der Zeit der vorindustriellen Landwirtschaft, wo sie der Überlieferung nach dem Vertreiben des Wildes von den heransprießenden Getreidefeldern diente. Zweifellos tun sich noch heute die Rehe gerne an den reifenden Saatkulturen gütlich, so sie denn nicht andere Kostgewohnheiten angenommen haben. Bekanntlich ist der Wald ebenso wenig vor den hungrigen Äsern gefeit. Dabei hat die Fichte im Mai in hohem Maße zu leiden, da sie hier ihre für die Böcke und Geißen besonders schmackhaften Triebe hervorbringt. Für Laubbäume hingegen ist der Frühsommer in der Regel die gefährlichste Zeit. Egal, zu welcher Jahreszeit sich das Rehwild nun letztendlich an den Bäumen zu schaffen macht, es kommt wieder der Vorteil der frühen Jagdmöglichkeit im Mai zum Tragen, denn je eher ein Stück erlegt wird, desto weniger kann es bis dato verbeißen. Im Sinne ihrer ursprünglichen Funktion könnte im Rahmen der Maibockjagd zusätzlich eine Art Schwerpunktbejagung an besonders bedrohten Nutzflächen zum Fernhalten des Wildes angedacht werden.

 

Fallwild durch Verkehrsunfälle – „Hier und dort, fort und fort!“

Ein anderer guter Anlass für den Ansitz bei Maienluft hat ebenso einen prophylaktischen Hintergrund, da sich auf diesem Weg die Anzahl des Fallwildes durch Verkehrsunfälle verringern lässt. Abgesehen davon, dass es bei einer geringeren Wilddichte offensichtlich zu weniger Wildunfällen kommen kann, liegt der besondere Nutzen der Maibockjagd zusätzlich in der Verhaltensweise der Wildgattung begründet. In der Zeit zwischen April und Juni ist die Gefahr von Zusammenstößen mit Automobilen besonders hoch, da durch das Territorialwerden der Böcke ein hohes Maß an Bewegung ins Rehwildrevier kommt und die vor ihrem stärkeren Konkurrenten flüchtenden Halbstarken nicht selten in ihr vierrädriges Verderben springen. Zusätzlich entsteht unter den Geißen Konkurrenz um geeignete Flächen zum Setzen sowie Ablegen, was dem Ganzen natürlich nicht zuträglich ist. Wenn die sonst zum unfallgefährlichen Standortwechsel veranlassten Jahrlinge und Schmalrehe zeitig erlegt werden, wird ihnen der potenzielle Aufprall gegen eine Motorhaube erspart, welcher bei ihnen bestenfalls zum sofortigen Verenden und im schlechtesten Fall zu stundenlanger Agonie führt. Zusätzlich lässt sich das durch einen sauberen Büchsenschuss umgekommene Stück natürlich zu hochwertigem Wildbret weiterverarbeiten, während der „Roadkill“ einen Fall für die Tierkörperverwertung darstellt. In der Praxis halten sich Jäger nicht selten gerade dann extra mit Abschüssen zurück, wenn im Vorjahr viele Verluste durch Wildunfälle zu beklagen waren, was aus den oben geschilderten Gründen das Problem eigentlich noch verschlimmern dürfte, da zumindest einige der „Begnadigten“ erst recht wieder im Scheinwerferlicht enden. Der bekannte Sachbuchautor und Jagdjournalist Bruno Hespeler empfiehlt in diesem Zusammenhang, den Abschussantrag zu erhöhen. Vereinfacht ausgedrückt: Wenn jährlich immer wieder zehn Stück überfahren werden, sollten eben zehn Stück mehr im Abschussplan stehen. Hespeler hält fest, dass die Bestandsverluste durch die Jagd beinah ausschließlich in die Zone der kompensatorischen Sterblichkeit fallen.

 

Trotz manches durchaus berechtigten Einwandes stellt die Maibockjagd eine vielversprechende und unter den richtigen Umständen sehr effektive Spielart des Weidwerks dar. Auch wenn es sich bei ihr in den Augen mancher um ein überholtes altes Lied handeln mag, kann es sehr viel Nutzen und Freude bereiten, es immer wieder neu zu singen: „Alles neu macht der Mai …“