Aspekte |
Szenario A: ältere Spaziergänger im Wald mit freilaufendem Hund und Kind mit Fahrrad |
Szenario B: sportlicher MTB-Fahrer bei Dämmerung abseits der Radstrecke auf Steig durch Einstand |
Umstände |
harmlose Spaziergänger untertags, Hund direkt beim Herrn, aber nicht angeleint |
fährt trotz klarer Ausschilderung durch Wildeinstand, will bei Anrede erst nicht halten
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Problem |
kein Problem, da weder Jagd noch Wild abseits der Wege gestört werden, diese sind Spaziergänger auf dem Weg gewohnt |
starke Wild- und Jagdstörung durch schnelle Fahrt durch ruhigen Einstand, Sorgen vor Nachahmung aufgrund Nähe zu MTB-Strecke, Ärger wegen verweigerter Einsicht |
Verhalten |
Verhalten der Besucher menschlich sehr verständlich (offensichtlich Großeltern mit Enkel), beiderseits gute Stimmung |
beide Seiten aufgebracht, weil Jäger gravierende Jagd- und Wildstörung sieht und Radfahrer wider besseres Wissen handelt; Radfahrer, weil er mitten in intensiver Sportausübung unterbrochen wird |
Recht |
rechtlich erlaubte Nutzung, allenfalls Verstoß gegen Leinen-Verordnung |
rechtswidrige Störung, sofern Personendaten und Beweise (In-flagranti-Fotos, Zeugen) vorliegen, Anzeige kann zivilrechtlich (Unterlassungs-/Besitzstörungsklage) oder jagdrechtlich über Behörde erfolgen |
Folgen |
aktuell keine relevante Auswirkung auf Jagd und Tierwelt abseits des Weges |
Vorgang sehr bedeutend, da noch einziger ruhiger Einstand in ansonsten beunruhigtem Gebiet und Wiederholung (Uneinsichtigkeit des Radfahrers) und Nachahmung durch andere wahrscheinlich |
Ziele |
Besucher wollen Spaziergang genießen und Jäger möchte, dass keine Störung abseits der Wege entsteht |
Radfahrer will ungehindert radeln, wo und wann er will und keine Belehrung, lehnt Einschränkung durch andere Nutzer ab; Jäger will weitere Störung unterbinden sowie festgestelltes Vergehen ahnden, um Nachahmung zu verhindern |
Reaktion |
freundlicher Hinweis darauf, bitte Sorge zu tragen, dass Hund bei ihnen bleibt und vielleicht kurze Begründung und Aufklärung, warum das Wild seine Ruhe braucht (jagdpädagogisch günstige Gelegenheit, Zielperson Kind) |
trotz sachlichem Hinweis fehlende Einsicht, ohne Personendaten Besitzstörungsklage (durch Grundeigentümer) nicht möglich, kann nur angedroht werden; Kontaktaufnahme mit Betreiber/Halter der MTB-Strecke und Aufforderung zu besserer Information; evtl. Kontrolle abgestellter Pkw in der Nähe und Abpassen. Foto Pkw und Radfahrer (ohne Gesichtsaufnahme) und über Anwalt Fahrerfeststellung; Abwägen, ob Zeitaufwand und zu erwartender Streit sich lohnen |
Was erwartet uns noch? Trübe Aussichten oder Aufklärung?
Welchen Preis zahlen wir und unsere Umwelt?
Viele Soziologen konstatieren unseren westlichen Zivilisationen eine Entwicklung von einer Arbeitsgesellschaft – ausgehend vom Industriezeitalter – über einen Mix aus Arbeits-, Konsum- und Freizeitgesellschaft in Richtung einer „Multioptionsgesellschaft“. Diente ehemals die Freizeitgestaltung der Regeneration von der Arbeit, also der geistigen und physischen Gesunderhaltung, ist sie mittlerweile zum Selbstzweck geworden. In der Multioptionsgesellschaft steht alles zur Disposition. Sogar das Geschlecht lässt sich nach einer Umwandlung (zumindest auf rechtlicher Ebene) wieder zurückwandeln. Es ergeben sich Möglichkeiten zur grenzenlosen Entfaltung und Innovation einerseits, aber es nehmen auch Orientierungslosigkeit und Überforderung als Folge einer in alle Richtungen offenen Gesellschaft und des steten technologischen Fortschritts zu.
Der moderne Mensch strebt danach, die Kluft zwischen gelebter Wirklichkeit und erträumten Möglichkeiten zu überwinden. Das führt dazu, dass immer mehr Menschen im Sinne einer Selbstoptimierung in der Freizeit ihren physischen und psychischen Zustand verbessern wollen und permanent nach neuen Erlebnissen und Herausforderungen (sogenannten „Kicks“) suchen. Ein Indiz ist das steigende Angebot organisierter privater Weiterbildungs-, Sport- und Freizeitkurse unterschiedlichster Inhalte und Themen (auch Jagdkurse haben immer mehr Teilnehmer). Diese werden trotz häufig beträchtlicher Kosten umfangreich konsumiert. Immer neue, meist intensivere sportliche Aktivitäten werden gesucht und ausgeübt. Der Markt entwickelt immer neue Gadgets, Instrumente und Geräte. Das Heer der Freizeitnutzer in unseren Wäldern und auf den Bergen wächst anscheinend unaufhörlich.
Der Verlust von Bodenständigkeit hat weitreichende Folgen
Obwohl volkswirtschaftlich und vermutlich auch soziologisch völlig unsinnig, ist vorerst von einer weiteren Reduktion der Arbeitszeiten auszugehen. In Verbindung mit einer Zunahme der Lebensdauer und dem verbreiteten Streben, auch im Alter sehr aktiv zu sein, müssen wir mit einer stärkeren und zeitlich ausgeweiteten Inanspruchnahme der Wildlebensräume rechnen.
In weiten Teilen der Bevölkerung ist ein Verlust von Bodenständigkeit zu verzeichnen, häufig aufgrund fehlender Erfahrungswerte in der eigenen Kindheit und Jugend. Damit gehen eine Zunahme der Sensibilität hinsichtlich des Naturzustandes und Klimas sowie eine kritische Haltung gegenüber der traditionellen Landnutzung (Holznutzung, Ackerbau, Viehhaltung, Jagd, Ernte landwirtschaftlicher Güter) einher. Verstärkt durch häufig unsachliche, emotionalisierte und vorwiegend Ängste schürende Berichterstattung (Klimakrieg, Klimanotstand, Klimaleugner usw.) und die Vermenschlichung der Natur, insbesondere der Tierwelt, wird die Nutzung von Tieren allgemein sehr kritisch gesehen. Die Jagd als älteste und unmittelbarste Form der Tiernutzung ist zunehmend schlecht beleumundet, obwohl die Sachkenntnis über die Jagd und die Zusammenhänge in unserer Kulturlandschaft in der Bevölkerung eher abnimmt.
Der Widerspruch zwischen Anspruch und Wirkung bleibt unerkannt
Der aufgeklärte Europäer fordert immer höhere Tierwohlstandards und wünscht die Wiederherstellung natürlicher Kreisläufe in unserer zersiedelten Kulturlandschaft, ohne deren Folgen zu bedenken und verantworten zu wollen (z. B. unregulierte Wiedereinbürgerung von Großraubwild). Er rennt Tag und Nacht in den abgelegensten Gebieten herum, ohne sich über die Auswirkungen der von ihm verursachten Störungen Gedanken zu machen. Sein Gewissen ist beruhigt, denn er kauft zwar weiter Diskontlebensmittel, aber es steht Bio drauf und ein Öko-Label garantiert die Nachhaltigkeit. Er bildet sich im Urlaub ökologisch weiter und so weist die Tourismusbranche ein starkes Wachstum bei Öko-Tourismus und nachhaltigem Reisen auf. Die Veranstalter bieten zunehmend Umwelt- und Naturthemen im Rahmen eines – natürlich – sanften Tourismus an, sodass auch im Ausland die Wildlebensräume bei geringer Wertschöpfung vor Ort mit europäischen Freizeitnutzern geflutet werden.