Herr Mehanovic, können Sie uns zunächst vielleicht etwas zur Geschichte Ihres Unternehmens erzählen?
Ursprünglich habe ich das Metzgerhandwerk erlernt, habe aber dann später bei der Gerberei Kendlbacher angefangen. Unser Betrieb wurde 1858 gegründet und über fünf Generationen von der Familie Kendlbacher geführt. 2021 schließlich übernahm ich die Werkstatt von meinem damaligen Chef, was mich zur sechsten Gerber-Generation macht, auch wenn wir nicht verwandt sind. Zum Zeitpunkt der Übernahme waren die Räume der Werkstatt noch über dreieinhalb Stockwerke verteilt, was viel aufwendiges Herumtragen im Herstellungsprozess bedeutete. Daher wurde der Umzug weg von Werfen in die neu errichtete Werkstatt in Niedernfritz nötig. Der Transport der sperrigen Maschinen war zwar ein knapp dreimonatiger Aufwand, doch an unserem jetzigen Standort haben ich und meine vier Mitarbeiter jetzt genug Platz und können mit dem Gabelstapler fahren. Der eigentliche Gerbprozess ist jedoch immer derselbe geblieben.
Wie verläuft denn dieser Gerbprozess in groben Zügen?
Kurz zusammengefasst läuft das so ab: Für den Transport werden die Felle mit Salz konserviert, weshalb sie als Erstes einmal ausgewaschen werden. Vor dem eigentlichen Gerbprozess müssen die Häute noch entfleischt und für eine Woche im Äscher mit Kalk behandelt werden. Außerdem gehören noch das Enthaaren und das sogenannte „Abstoßen“, bei dem Narben in der Tierhaut eingeebnet werden, zur Vorbereitung. Danach kommt alles nach einer vergleichsweise kurzen Vorgerbung in den großen Gerbbottich, wo dann die Felle für fünf bis sechs Wochen in Fischtran ruhen. Diese Gerbbehälter fassen fünf bis sechs Kubikmeter, werden aber nur ungefähr bis zur Hälfte befüllt, da die Felle ähnlich wie bei der Kleidung in der Waschmaschine noch genügend Spielraum haben müssen. Anschließend wird der Tran wieder zu 99 % ausgewaschen, wonach man die Häute auseinanderzieht, trocknet und abschleift. Je nach Kundenwunsch kann das Material nun gefärbt oder in seinem Naturzustand belassen werden. Die Farbe wird manchmal in bis zu sieben Schichten mit dazwischenliegenden Trockenzeiten aufgetragen.
Wie lange dauert es denn, bis aus der eingesalzenen Haut ein fertiges Stück Leder geworden ist?
Ohne die Ruhezeiten braucht es für die Sämischgerbung insgesamt 14 bis 16 Wochen. Das ist um einiges länger als etwa beim Weißgerben, für das nur ca. zwei bis drei Wochen nötig sind. Bei Einzelaufträgen von Privatkunden dauert es jedoch in der Regel länger, da wir diese Häute gesondert verarbeiten – die gingen sonst in der Masse unter. Bis sich genügend Felle für eine separate Tour im Bottich angesammelt haben, braucht es halt einige Zeit.
Was wird denn alles aus Ihrem Leder hergestellt? Gibt es da irgendwelche Trends?
Das Hauptgeschäft der Gerberei Kendlbacher ist Hirschleder, welches viele Vorteile hat: Es ist atmungsaktiv, strapazierfähig, leicht zu pflegen und darüber hinaus ist durch die natürliche Weichheit auch noch der Tragekomfort hoch. Aus diesen Gründen besteht viel Nachfrage vonseiten der Bekleidungsindustrie. Wir arbeiten daher zu 85 % für die Kurzlederhosenproduktion. Die Hirschfelle dafür beziehen wir aus Neuseeland, wo es ja große Rotwildfarmen gibt. Was sich jetzt sehr stark entwickelt hat, ist Leder als Material für die Innenreinrichtung, z. B. als Teppich, Wandbehang oder für Stühle und dergleichen. Unsere Produkte werden auch bei Prothesen und in der Autoindustrie als Bezugsstoff verwendet. Natürlich nehmen wir auch Aufträge von Jägern an, die sich aus einem geschossenen Hirsch eine Jacke oder Hose machen lassen wollen. Da steht dann der emotionale Aspekt deutlich im Vordergrund. Ursprünglich hatte ich geplant, einen Teil des erzeugten Leders direkt in meinem Betrieb weiterzuverarbeiten, doch letztlich zeigte sich, dass sich der Aufwand nicht für uns gelohnt hätte. Allerdings haben wir dennoch ein kleines Geschäft neben der Werkstatt, welches ausgesuchte Lederbekleidung führt.
Kann man euch auch andere Häute bringen, etwa vom Wildschwein?
Ja, wir beschränken uns nicht ausschließlich auf Rotwild. Die Decke eines Schwarzkittels hab ich beispielsweise gerade unten in Arbeit. Auch Zebras waren schon dabei und unlängst haben wir sogar eine Elefantenhaut hereinbekommen. Die Kunden brauchen mir in solchen Fällen nur ein Zertifikat über den rechtmäßigen Ursprung der Trophäe vorzulegen. Wie solche Sachen konkret ins Land gebracht werden und wie das beantragt wird, weiß ich nicht, denn mein Job ist eben nur das Gerben. Was Gams oder Schafe und dergleichen betrifft, sind wir halt eigentlich nicht in der Sparte. In unserer Branche muss sich jeder Betrieb auf einen bestimmten Bereich spezialisieren, denn das ganze Feld lässt sich ganz einfach nicht abdecken. Trotzdem hab ich schon die Haut von so einigen verschiedenen Tierarten in der Hand gehabt, denn Präparatoren lassen uns auch öfter Aufträge zukommen.
Auf was sollte man denn achten, wenn man die Decke seiner gerade erlegten Jagdbeute gerben lassen will?
Am besten ist es, mir die Haut gleich nach dem Erlegen zu bringen. Zum Konservieren muss die Trophäe gut auf der Fleischseite eingesalzen oder gleich eingefroren werden. Der Aufwand ist da ungefähr derselbe für uns, da wir die Haut nachher eh noch einmal nachsalzen müssen. Man sollte sich als Jäger, der noch lange Freude an seiner Trophäe haben möchte, aber schon Zeit nehmen beim Einsalzen und darauf achten, dass Läufe, Bauch etc. genügend abbekommen. Wenn du das nicht ordentlich machst, besteht die Gefahr einer erheblichen Qualitätsminderung. Die Ränder werden zum Beispiel schnell vergessen und werden deshalb faulig, was dann letztendlich die Ausbeute an fertigem Leder reduziert Es kann schon vorkommen, dass ein schlecht konserviertes Stück mitten in der Produktion überhaupt kaputtgeht und dann heißt es: „Wo ist meine Haut?!“ Die Jäger, die uns schon jahrelang begleiten, kennen sich aber eh aus. Darüber hinaus ist das richtige Einsalzen eben keine Hexerei – einfach die Fleischseite gut einreiben.
Viele Branchen haben derzeit mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen. Wie sehen Sie da die Zukunft Ihres Handwerks.
Wir Gerber hier werden halt immer weniger und weniger. Es kommt zwar viel Ware aus Asien, aber in Ländern wie Indien wird kein Hirschleder hergestellt, da verarbeitet man die Häute von Ziegen und ähnlichen Tieren. Außerdem ist das „Billigware“, wie wir Gerber halt so sagen. Es macht also durchaus Sinn, in eine Hirschlederhose zu investieren, da das Ausgangsmaterial wohl in immer kleineren Mengen zur Verfügung stehen wird. Eine Hirschlederne ist also die beste Aktie! Wie es aber dann genau weitergeht und ob es das überhaupt noch so geben wird in Zukunft, kann ich aber nicht sagen. Es ist heutzutage halt schwer, richtiges Leder zu bekommen. Wie etwa bei den Metzgern ist das einfach eine schrumpfende Sparte. Das lässt sich gut vergleichen, da man sich bei den großen Handelsketten zwar günstiges Fleisch kaufen kann, bei dem es dann aber mit der Qualität nicht so gut ausschaut. Bei den Bäckern ist es auch dasselbe. Es gibt zwar immer wieder Probleme, wie etwa den starken Anstieg der Energiekosten vor einiger Zeit, den wir ordentlich zu spüren bekommen haben, da die Flüssigkeit im Gerbbottich aufgeheizt werden muss. Doch alles in allem bin ich froh, dieses alte Handwerk weiterführen und mit meinem Leder einen hochwertigen Rohstoff für großartige Bekleidung auf traditionelle Weise herstellen zu können.
Haben Sie vielen Dank Herr Mehanovic! Wir wünschen Ihnen noch viel Erfolg mit Ihrem einzigartigen Unternehmen!
Weiß- und Sämischgerberei Kendlbacher Asmir Mehanovic
Sonnberg 283, 5521 Niedernfritz
Tel.: +43 (0)660 17 97 974
E-Mail: office@gerberei-kendlbacher.at
Instagramm: https://www.instagram.com/gerbereikendlbacher/