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Vom Glück mit dem Pech

Interview mit Pechsammler Robert Rendl 

In den Wäldern im Südosten Niederösterreichs, genauer in der beschaulichen Gemeinde Waidmannsfeld, findet sich der letzte vollberufliche Vertreter eines uralten Handwerks, welches sogar in die Liste des immateriellen Kulturerbes in Österreich aufgenommen wurde. Bereits der große Schriftsteller Adalbert Stifter erwähnte in seiner Erzählung „Granit“ diese archaisch anmutende Art der Harzgewinnung von Bäumen, doch bis in unsere Zeit geriet sie beinahe in Vergessenheit. Erfahrt hier mehr über die spannende Materie, an der man in mehrerlei Hinsicht leicht kleben bleibt.

Sehr geehrter Herr Rendl, haben Sie vielen Dank für Ihre Zeit heute. Wie sind Sie denn genau zu Ihrem jetzigen Beruf gekommen? 

Ich bin eigentlich gelernter Tischler. Das war zwar ein superschöner Beruf, doch hab ich nicht viel Geld verdient. Mit 20 wollte ich das ändern und zudem mein eigener Chef sein, mit Firmenauto und dem Ganzen. Wie es halt so läuft im Leben. Ich hab also meinen Beruf gewechselt und bin in die Baustoffindustrie gegangen. Dort war ich dann am Schluss für den Verkauf meiner Firma in halb Österreich zuständig. Ich war ungefähr 40, als ich ein Burnout bekam. Das war auch mit Herzproblemen verbunden, weswegen ich meine berufliche Tätigkeit vollkommen einstellen musste. Ungefähr zweieinhalb Jahre blieb ich da zu Hause. Meine Frau meinte eines Tages mir gegenüber: „Geh in den Wald!“ Und so ging ich in den Wald, wo ich einen alten Pecher traf. Ich war so fasziniert, dass ich ihn zwei Jahre lang immer wieder begleitete und so das Handwerk erlernte. Heute habe ich das Glück, davon leben zu können. 

Wie schaut es mit diesem Handwerk heute aus? 

Es gibt eigene Werkzeuge für unseren Beruf, die nur für die Pecherei angefertigt wurden. Die Hersteller gibt’s natürlich alle nicht mehr. Die Pecherei hat ungefähr Ende der 60er bis Anfang der 70er aufgehört – und mindestens so alt sind auch die Werkzeuge, also 50 Jahre und älter. Aber die hab ich immer noch im Einsatz, somit sind sie auch die Gleichen geblieben. Früher hat man Werkzeuge halt so gemacht, dass sie halten. Heute geht’s drum, dass sie hin werden. Das ist der Unterschied! 

Das scheint ja leider für vieles heutzutage zu gelten. Vielleicht wird es ja wieder besser … 

Ich bin überzeugt, dass es besser wird, aber jetzt ist es halt einmal so. Ich bin froh darüber, die alten Werkzeuge zu haben. Die sind nämlich so robust gebaut, dass sie noch meine Kinder aushalten werden, welche übrigens seit einem Jahr auch in der Firma mit dabei sind. Ein richtiger Familienbetrieb also. Ja, das heißt, das Handwerk wird grad auch in die nächste Generation weitergegeben. Natürlich eine sehr wichtige Angelegenheit (lacht). Da wir ja von dem Ganzen leben, haben die Kinder das mehr oder weniger den ganzen Tag mitgekriegt. Und selbstverständlich sind sie auch das eine oder andere Mal mitgegangen in den Wald. Irgendwie dreht sich dann alles ums Harz. Ich sehe das auch nicht als Beruf, sondern als Berufung. Wie schon gesagt, haben wir das Glück, von dem leben zu können, was ich machen will. Das ist zudem ein Leben von und mit der Natur, also etwas Wunderwunderschönes. Das Glück hat nicht ein jeder! 

Wie kann man sich nun den konkreten Pechgewinnungsprozess vorstellen? Wo fängt man an? 

Man beginnt im Februar/März mit der Arbeit. Über den Winter wird nichts an den Bäumen gemacht. Zunächst wird die Rinde ein bisserl heruntergegeben und das Häferl aufgehängt. Links und rechts wird eine Scharte eingestemmt, damit dann später auch das Harz schön in das Häferl hineinrinnt. Ab dem Zeitpunkt, an dem das Pechhäferl am Baum hängt, muss ich jede Woche mindestens einmal zu jedem Baum und ein bisserl von der Rinde weghobeln. So rinnt immer frisches Harz nach in den Behälter. Denn innerhalb von vier Tagen hat der Baum die kleine Wunde, die ich ihm gemacht hab, wieder verschlossen und dann rinnt nix mehr. Das ist auch der Hintergrund der Pechsalbe bzw. des Pechbalsams: Wenn der Baum verletzt ist, kommt das Harz und es heilt die Wunde wieder zu. Dasselbe macht es dann quasi auch bei uns Menschen und dem Vieh. So steht es in vielen alten Büchern und so habe ich es zudem oft von älteren Kunden gehört. Ich muss dann also jede Woche zu jedem Baum und das geht dann so durch bis in den Oktober. Bevor es wieder zu gefrieren beginnt, höre ich auf. Für einen Pecher liegt die Hauptsaison somit zwischen Februar und Oktober.

Wie viel Pech gewinnt man da so durchschnittlich? 

Ein Baum schenkt mir ungefähr zwei bis zweieinhalb Kilogramm Pech bzw. Harz im Jahr. Es gibt jetzt keinen wissenschaftlichen Unterschied zwischen Harz und Pech, man kann beide Begriffe synonym nutzen. Um auf diese zwei bis zweieinhalb Kilo zu kommen, muss ich den Baum an die 25- bis 30-mal besuchen. Das ist ein ungefährer Richtwert, denn manche geben mehr, manche weniger. 

Wie groß ist dann die ungefähr von Ihnen bewirtschaftete Fläche? 

Von der Fläche her kann man es gar nicht so sagen, aber zur Anzahl der Bäume kann ich sinnvolle Angaben machen. Früher musste ein Pecher, wenn er von seinem Handwerk leben wollte, 2.000 bis 4.000 Bäume haben, die er jede Woche hat bearbeiten müssen. Ich weiß es bei mir jetzt nicht ganz genau, aber es sind wahrscheinlich ein bisserl weniger als 1.000 Bäume, die ich bewirtschafte, zu denen ich also jede Woche hin und etwas nachhobeln muss, damit immer frisches Harz herausrinnt.

So einen Arbeitsplatz im Wald wird sich wohl mancher recht idyllisch vorstellen. Das Ganze hört sich aber auch sehr arbeitsintensiv an.

Ja, wir leben heute in einer Dienstleistungsgesellschaft, wo nur mehr die wenigsten Leute etwas direkt mit der Hand produzieren. Somit hat man einfach den Bezug zum Handwerk, den Bezug, dass es kalt und warm draußen ist, dass es im Wald nicht immer schön ist, sondern auch saukalt sein kann, komplett verloren. Deswegen tut sich eine Gesellschaft einfach sehr schwer, ein Handwerk zu beurteilen, das keiner mehr macht. Ich will nicht sagen keiner, aber die wenigsten. Ich kann immer nur von mir reden, aber es war auch eine schöne Zeit als Tischler. Da hab ich in der Früh etwas angefangen und am Abend gesehen, was ich mit meinen Händen geschaffen hab. Beim Pechen ist es komplett das Gleiche. Wenn ich da meine Bäume durchgeh und komm dann nächste Woche wieder, dann seh ich, dass da jetzt ein Pech hineingeronnen ist. Es macht mich glücklich, denn ich hab ein Ergebnis. Nichts Fiktives. Ich sehe, wenn ich das und das mache, passiert dies und das. Du hast auch wirklich eine Bestätigung, wenn du etwas richtig machst. Und Respekt. Der ist absolut wichtig – im Umgang mit der Natur generell und in meinem Fall im Umgang mit dem Baum. Der für mein Handwerk in Frage kommende Baum ist die Schwarzföhre. Wenn man diesen Baum mit Dankbarkeit, Respekt und Wissen behandelt, gibt einem der auch etwas zurück. Da kann ich dann auch über 40 Jahre lang an einem Stamm arbeiten und der lebt später ganz normal weiter. Das ist ausgesprochen wichtig.

In letzter Zeit wurde uns ja die Bedeutung und zum Teil auch die Verwundbarkeit des Waldes häufiger durch verschiedene Krisen vor Augen geführt. Haben Sie in diesem Zusammenhang auch schon Veränderungen festgestellt?

Tja, wenn es keine Bäume mehr gibt, gibt es uns auch nicht mehr. Auch die Schwarzföhre ist von klimatischen Veränderungen betroffen. In flacheren Gegenden ist es schon so, dass die Bäume zum Teil sterben. Genauer gesagt, haben wir da ein Kieferntriebsterben. Bei uns im südlichen Niederösterreich haben wir den Schneeberg und ein paar andere Bergln daneben, weswegen es noch ein bisserl kühler ist. Außerdem regnet es noch mehr. Daher haben wir noch weniger Probleme, doch dort, wo es flacher wird, sieht man es schon ganz arg. Der Wald verändert sich und gewisse Arten sterben, wovon auch unsere Schwarzföhre betroffen ist. Auf der anderen Seite habe ich mit vielen alten Pechern geredet und die meinten, das habe es in den 50er-Jahren schon genauso gegeben. Der Baum hat sich wieder gefangen und ich gehe davon aus, dass dies auch jetzt wieder so sein wird.

Der Wald wird schon seit Langem zu verschiedenen Zwecken genutzt. Relativ neu, aber sehr wichtig ist da heute die Nutzung für Erholung und Freizeit. In welcher Weise beeinflusst das das Pecherhandwerk? Gibt es Konflikte?

Bei mir ist es so, dass ich meine Bäume dort stehen hab, wo keine Wege verlaufen und also kein Tourist hinkommt. Das ist natürlich absichtlich so gemacht, denn hätte ich meine Pechbäume beispielsweise neben einem Haus mit Holzheizung, hätte ich den ganzen Ruß in meinen Pechhäferln mit drin. Das ist der erste Aspekt an der Geschichte. Zweitens habe ich die Erfahrung gemacht, dass mit Bäumen einfach ziemlich respektlos umgegangen wird, wenn diese relativ nah an der „Zivilisation“ stehen. Es werden zum Beispiel Äste heruntergehauen oder es wird zielgeschossen. In einer anderen Art und Weise, wie ihr das Thema in der Jagarei habt, begegnet es auch mir. Deshalb suche ich mir meine Bäume jetzt mitten im Wald, wo es keiner weiß. Dahingehend ist mein Problem, jetzt wo ich mir darüber im Klaren bin, weniger ausgeprägt. Begegnungen hab ich schon wirklich schöne gehabt im Wald. Ich stelle ja ein Nischenprodukt her, das nur gewisse Leute interessiert. Aber wenn Interesse da ist, kann man vernünftige und ganz lockere Gespräche führen. Es ist jetzt nur mein persönlicher Eindruck, dass man da schon eine andere Dankbarkeit und einen anderen Respekt erlebt. Aber ich stelle schon fest: Wenn man in der Natur ist, macht das was mit uns. Egal, ob du jetzt ein Jäger, ein Holzknecht oder ein Pecher bist. Und ich habe immer geglaubt, das ist nur etwas für alte Leute, doch das stimmt überhaupt nicht. Auch sehr viele junge Leute, viele junge Familien, interessieren sich für das, was in der Natur passiert. Nicht alle, aber jeden Tag mehr!

Bei der Pecherei handelt es sich ja um ein sehr altes Handwerk, nicht wahr?

Ich bin ja auch in Kontakt mit einigen Museen. Schon die alten Ägypter haben Pech in diversen Salben und Heilmitteln drinnen gehabt. Es gibt sogar eigene Hieroglyphen für Harz und das ist jetzt 5.000 Jahre her. Wenn Harz so unwichtig gewesen wäre, hätten die Heiligen Drei Könige nicht zwei Arten davon gebracht, nämlich Myrrhe und Weihrauch. Warum bringen drei Könige einem König etwas (lacht)? Auch zum Kleben und Abdichten war Baumharz über Jahrtausende ein wichtiger Werkstoff.

Heute wird die medizinische Nutzung wohl überwiegen?

Zu medizinischen Belangen direkt darf ich mich nicht äußern – bin ja kein Arzt! Ich kann immer nur das erzählen, was mir die Leute rückmelden. Und natürlich das, was ich an meinem eigenen Körper erlebt habe, wenn ich Verletzungen oder dergleichen hatte. Ich stelle kein offizielles Medizinprodukt her. Das ist alles sehr heikel heutzutage. Das Wissen über die Hausmittel ist aber schon uralt.

Eine bekannte Anwendung von Pech als Hausmittel ist Zug- bzw. Wundsalbe. So etwas stellt ihr selbst her, nicht wahr?

Wenn ich im Wald unterwegs bin und pechen gehe, bin ich Bauer. Ich besitze ja auch einen kleinen Hof. In dem Moment aber, wo ich die Salben herstelle, bin ich Betreiber einer Kosmetikfirma. Da ist alles zertifiziert und notifiziert, denn das muss alles kontrolliert werden. Wir machen alles selber. Ich gehe in den Wald, hole mir das Harz und fülle es dann in den Tiegel – direkter und unkomplizierter geht’s nicht.

Ein regionales und klimaneutrales Naturprodukt also! Wie gestaltet sich da das Verhältnis zur modernen Agrarpolitik? Werden Sie da eher gefördert oder ignoriert?

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob der Staat und die EU altes Wissen und alte Kultur fördern. Sie sagen es zwar, aber glauben tu ich es ihnen nicht. Ein ganz schwieriges Thema, denn mir scheint, in Wirklichkeit wird unsere Kultur hier in Österreich oft mit Füßen getreten. Uns wird es sehr schwer gemacht mit ihren ganzen Vorschriften und Regeln. Da heißt es aufpassen, dass wir das, was unser Land ausmacht, erhalten.

Wie sehen Sie also in diesem Rahmen das Verhältnis von Tradition und Innovation?

Ich sehe das ganz einfach so: Ein Fortschritt muss immer da sein in irgendeiner Art und Weise. Und das ist gleichermaßen richtig wie wichtig. Nur sollte man auch auf das Alte nicht vergessen und alles mit Maß und Ziel machen. Es ist nicht alles, was früher war, schlecht oder gilt auf einmal nicht mehr, wo es doch tausende Jahre gegolten hat. Es gehört da doch ein gesundes Miteinander her! Die Kernbotschaft, welche mir extrem wichtig ist, lernt man in der Natur. Das lern ich im Umgang mit meinen Bäumen: Ich muss jemand oder etwas mit Respekt behandeln und dankbar umgehen mit dem, was ich bekomme. So etwas fehlt aus meiner Sicht oft in der heutigen Gesellschaft. Ohne Natur, ohne das, was uns Tiere und Pflanzen schenken, können wir nicht leben. Wir müssen respektvoller und dankbarer damit umgehen! Wir können nicht in Zukunft ständig von Ausbeutung und Konsum allein existieren. Und so wie halt die Jagarei ihren Beitrag leistet, leiste ich meinen Teil mit meinem Harz. Jeder so auf seine Art. Wichtig ist, dass dies in Respekt und Dankbarkeit gegenüber der Natur erfolgt.

Haben Sie vielen Dank für die spannenden Einsichten in Ihren faszinierenden Beruf Herr Rendl! Wir wünschen Ihnen und Ihren Kindern noch viel Erfolg mit der Pecherei!


Infobox: 
Pecherei Familie Rendl 2761 
Waidmannsfeld Hauptstraße 34 
office@pecherei-fam-rendl.at 
www.pecherei-fam-rendl.at

Pechsalbe 

Besonders in der alpenländischen Heilkunde ist die Pechsalbe seit vielen Generationen ein beliebtes Hausmittel bei Wunden, Muskelschmerzen oder Rheuma. Die Salbe ist unkompliziert herzustellen und lange haltbar. Das Fichtenharz, das sogenannte „Pech“, kommt häufig vor und ist leicht zu sammeln. Das Harz tritt bei einer Verletzung der Baumrinde aus und schützt den Baum vor Schädlingen und Pilzen. Es ist erst zähflüssig und trocknet dann am Stamm. Das getrocknete Harz kann man leicht abschneiden und sammeln. 

Grundrezept 

Zutaten: 

100 ml hochwertiges Olivenöl oder Ölauszug mit Heilkräutern (z. B. Ringelblume, Kamille, Johanniskraut)

40 g Baumharz

20 g Bienenwachs 

Zubereitung: 

Öl und Harz in einem Marmeladenglas im Wasserbad erhitzen, bis sich das Harz aufgelöst hat. Dann durch ein feines Sieb in ein zweites Glas abseihen. Hierbei werden alle Schmutzpartikel herausgefiltert. Nun das Bienenwachs hinzugeben und unter Rühren schmelzen. Anschließend in desinfizierte Tiegel abfüllen. 

Nur getrocknetes Harz eignet sich für die Herstellung von Pechsalbe. Harzflecken können mit Speiseöl aus der Kleidung, vom Werkzeug oder von den Händen entfernt werden. Noch wirkungsvoller wird die Pechsalbe, wenn sie mit einem Ölauszug mit Heilkräutern hergestellt wird.