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Zum Alpensteinbock gibt es unzählige Forschungsarbeiten – mit gutem Grund. Wegen der Beinaheausrottung und späteren Wiederansiedlung existieren meist sehr genaue Datenreihen über die Entwicklung der Bestände, wie sie bei anderen Arten nur selten zu finden sind. Dadurch lassen sich Populationsdynamiken gut erforschen, aber auch Umwelteinflüsse jeglicher Art sind mitunter leichter zu erkennen.

Steinwild in den Hohen Tauern

In den Hohen Tauern – mit rund 120 Kilometern Länge und dem 3.798 Meter hohen Großglockner als höchstem Berg – belegen Funde das nacheiszeitliche Vorkommen des Alpensteinbocks. Wie überall, abgesehen vom Gran-Paradiso-Gebiet, verschwand aber der Steinbock im 18. Jahrhundert auch aus dieser Region. Erst Bemühungen einzelner Jäger oder Jägerschaften ermöglichten die Rückkehr dieses imposanten Bergwildes. 1960 fand die erste Freilassung in Heiligenblut statt. Aufgrund der Größe und flächenmäßigen Ausdehnung der Hohen Tauern folgten viele weitere Aussetzungen, damals oft ohne gegenseitige Absprache. So kam es, dass zwischen 1960 und 2005 nachweislich mindestens 207 Tiere unterschiedlichster Herkunft freigelassen wurden. Bedingt durch die zu Beginn oft weit entfernt gelegenen Freilassungsorte bildeten sich zuerst kleinere eigenständige Populationen, welche sich aber mit Anwachsen der Bestände vor allem über die Böcke immer stärker austauschten. Derzeit beherbergen die Hohen Tauern eine zusammenhängende Gesamtpopulation mit etwa 1.100 Tieren, inklusive der angrenzenden Gebiete wie Süd- oder Nordtirol kann man von 1.400 Stück Steinwild ausgehen.

 

Warum die Forschung im Nationalpark Hohe Tauern?

Mit der Gründung des Nationalparks Hohe Tauern Anfang der 1980er-Jahre wurde nach und nach eine Fläche von 180.000 Hektar als Schutzgebiet ausgewiesen. Davon stehen heute knapp 90.000 Hektar außer menschlicher Nutzung. Steinwild kommt natürlich innerhalb und außerhalb dieser Naturzone vor bzw. wechselt dazwischen hin und her. Seit 2005 steht der Steinbock im Forschungsinteresse des Nationalparks, da zu dieser Population aus den niederschlagsreicheren Ostalpen vergleichsweise nur wenige Arbeiten existieren. Zusätzlich bilden die Hohen Tauern den Alpenhauptkamm und somit die Wetterscheide. Dieser Umstand bedingt große klimatische Unterschiede mit jährlichen Niederschlagsmengen von bis zu 2.800 Millimetern auf der Nordseite, während begünstigte Gebiete auf der Südseite lediglich 900 Millimeter aufweisen. Weiters führt(e) die Gamsräude regional immer wieder zu mehr oder weniger starken Ausfällen. Diese Erkrankung ist in den Westalpen bis dato nicht in Erscheinung getreten. Und drittens ist bekanntlich durch die beinahe Ausrottung die genetische Bandbreite beim Alpensteinbock gering. Diese ist aber unter anderem mitverantwortlich dafür, wie eine Art mit Umweltfaktoren umgehen kann. Aufgrund der oben genannten Ursache wurde kaum eine andere Population mit derart vielen Tieren unterschiedlicher Herkunft gegründet. Zusätzlich wird der Klimawandel das Raumverhalten vieler Tierarten verändern und mit dem Ansteigen der Temperaturen muss mit dem verstärkten Auftreten von (auch neuen) Krankheiten gerechnet werden. Gründe genug, weitere Daten zu dieser Wildart zu sammeln.

 

Ergebnisse aus der Steinbockforschung

Die Frage der oben angesprochenen Genetik kann vorweg gleich beantwortet werden. Trotz der vielen freigelassenen Tiere unterscheidet sich die Population der Hohen Tauern hinsichtlich ihrer genetischen Vielfalt nicht wesentlich von anderen Populationen im Alpenraum. Ihre Abstammungslinie betreffend steht sie wie die meisten heutigen Kolonien dem Vorkommen im Schweizer Piz-Albris-Gebiet am nächsten, was nicht überrascht, denn dort wurden sehr früh viele Tiere gefangen und abgegeben.

 

Raumverhalten

Bedingt durch die Topografie und die Biologie des Steinwildes mit sich „eher kleinräumig“ bewegenden Geißen und den oft weite Strecken zurücklegenden Böcken werden Lebensräume sehr unterschiedlich genutzt. So auch in den Hohen Tauern, wo Kerngebiete mit höheren Dichten und Regionen mit geringeren Dichten sowie reine Wechselwildareale zu finden sind. Eine der ersten Fragestellungen zu Beginn der 2000er-Jahre sollte deshalb beantworten, wie stark die Kerneinstände untereinander vernetzt sind. Dazu wurden Böcke besendert und Tiere beiderlei Geschlechts mit Lauschermarken versehen. Das Ergebnis dieser Fragestellung könnte provokant wie folgt formuliert werden: Vermutlich kennen sich viele Böcke verschiedenster Regionen der Hohen Tauern untereinander besser als die jeweiligen Jagdausübungsberechtigen dieser Reviere. Auch wenn Senderlaufzeiten begrenzt sind und nur einen gewissen Lebensabschnitt eines Tieres zeigen bzw. bei sichtmarkierten Stücken nur gemeldete Beobachtungen ausgewertet werden können, zeigten sich große Wanderungen und Streifgebiete. Zwar bewegten sich einige Böcke auch sehr kleinräumig oder nur der Wechsel zwischen Winter- und Sommereinständen ergab größere Streifgebiete, doch die Wochen vor der Hauptbrunft brachten vor allem bei mittelalten Böcken immer wieder Überraschungen. Manche Böcke legten dabei Gesamtwegstrecken von bis zu 200 Kilometern zurück, was zu Jahresstreifgebieten von über 13.000 Hektar führte. Selbst wenn solche Wanderungen von jüngeren Böcken durchgeführt wurden, war es erstaunlich, wie zielgerichtet diese Böcke wanderten. Es schien, als würden sie die Einstände der Geißen in diesem riesigen Lebensraum selbst in ihrem Alter bereits kennen.

In den letzten Jahre wurden größtenteils Geißen besendert, um im Sinne der Langzeitforschung Vergleichsdaten für spätere Studien zu sammeln. Die Klimaerwärmung wird mittel- bis langfristig große Veränderungen in der Vegetation nach sich ziehen und sich somit auch auf das Raumverhalten des Steinwildes auswirken.

 

Hornvermessung

Von verendeten oder außerhalb der Naturzone erlegten Böcken werden alljährlich die Gehörne vermessen. Bis dato waren es 729 Bockgehörne aus den Hohen Tauern, das älteste stammt von einem 1961 gesetzten Bock. Dabei geht es nicht um „Trophäenpunkte“, sondern vor allem um die Jahresschübe. Diese lassen im Vergleich über Jahrzehnte gewisse Aussagen über die Entwicklung der Population zu, da sie unter anderem von Klima, Witterung oder Wilddichte abhängig sind. So erkennt man beispielsweise ungeachtet des Alters eines Tieres „gute und schlechte“ Steinbockjahre. Bedingt beispielsweise die Witterung einen späten Vegetationsbeginn bei gleichzeitig schlechter Nahrungsqualität über die gesamte Periode, verfügt ein Steinbock über geringere Ressourcen und der jährliche Schub fällt kürzer aus. Egal, ob der Bock zu diesem Zeitpunkt zwei oder neun Jahre alt ist – der Schub liegt unter dem durchschnittlichen Wachstum in diesem Alter. Dies zeigt sich im Untersuchungsgebiet auch zwischen der Nord- und Südabdachung der Hohen Tauern. So zeigten Böcke aufgrund der kürzeren Vegetationsperiode auf der schneereicheren Nordseite die kürzeren Schübe als jene auf der Südseite. Aber auch die Dichte einer Population spiegelt sich im Hornwachstum wider. Ist die Dichte gering, gibt es weniger alte Böcke und jüngere Tiere haben größere Chancen auf Fortpflanzung. In diesem Fall zeigen die Böcke in jüngeren Jahren ein stärkeres jährliches Wachstum, um im Alter nachzulassen. Ist die Dichte hoch, verschieben sich die Strukturen und zahlreiche wirklich reife und ältere Tiere prägen die Population. Dies wirkt sich auf die jungen Böcke aus, welche dann erst später vermehrt ins Horn investieren.

 

Untersuchungen zur Räude

Man geht heute davon aus, dass mit Erlöschen der Erkrankung die Räudemilben nicht aus dem Bestand verschwunden sind, sondern über Tiere, welche selbst nicht oder nur temporär erkranken, in der Population gehalten werden und so ständig präsent sind. Hierzu wird derzeit untersucht, wie hoch der Anteil an diesen sogenannten „stillen Milbenträgern“ bei Stein- und Gamswild in den Hohen Tauern ist. Dazu werden in verschiedenen Regionen Lauscherproben (eine Körperstelle, wo sich Milben gerne aufhalten) von außerhalb der Naturzone erlegten und davor als gesund angesprochenen Tieren genommen. Als Vergleichsgruppe dienen Tiere, die vor der Erlegung als sichtlich erkrankt angesprochen wurden. Letztere wiesen in allen untersuchten Proben im Lauscherbereich die Milbe auf. Doch auch bei den gesund erlegten Stücken war die Anzahl der Milbenträger nach mittlerweile drei Untersuchungsjahren erstaunlich hoch. 69 Prozent des als gesund erlegten Steinwildes und 45 Prozent des Gamswildes trugen die Räudemilbe, zeigten aber zum Zeitpunkt der Erlegung keine Symptome. Die Prozentzahl stiller Milbenträger könnte sogar noch höher sein, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass Milben bei negativen Lauscherproben an anderen Körperstellen des erlegten Stücks zu finden gewesen wären.

 

Danke

Bedanken möchte sich der Nationalpark Hohe Tauern bei der Stieglbrauerei zu Salzburg sowie bei den Jägerschaften in der Region, ohne deren tatkräftige Mithilfe und Unterstützung eine Umsetzung vieler Forschungsarbeiten nicht möglich wäre.