Angesichts der vielfältigen Kontroversen rund um Ernährung und Klimaschutz heutzutage, kann die Bedeutung von Wildbret als handfester Ausdruck des Jagderfolgs gar nicht oft genug betont werden. Nicht ohne Grund findet das stressarm sowie regional gewonnene, hochqualitative Lebensmittel guten Absatz bei Metzgern und Wildbrethändlern. Doch warum das feine Fleisch überhaupt erst aus der Hand geben? Mit der richtigen Ausrüstung und vor allem etwas Übung sowie Hingabe kann das Zerwirken schnell von der unbekannten Herausforderung zur gewohnten Routine werden. Johanna Schwarz – selbst passionierte Jägerin und Zerwirk-Autodidaktin – gibt im Interview Einblicke in die hohe Kunst des Ausbeinens in Eigenregie, das sie durch reichlich Praxis bei der Bewirtschaftung eines Kärntner Reviers für sich perfektionieren konnte.
Liebe Johanna, womit fängst du denn überhaupt an?
Genau genommen geht es schon beim Ansprechen los, da Aussehen und Verhalten des Stücks Hinweise auf dessen Gesundheitszustand und somit die spätere Fleischqualität liefern können. Ist dann das Übliche rund um die Erlegung mitsamt dem Aufbrechen erledigt, bringt man die Beute an einen geeigneten Ort, im besten Fall in ein Kühlhaus. Dort wird der Wildkörper erst einmal schön gründlich ausgewaschen. Ich hänge meine Stücke an den Hinterläufen auf, sodass Haupt und Träger nach unten zeigen. So lass ich das Ganze dann abhängen – Rehwild mindestens eine Woche, Rotwild bis zu zwei Wochen.
Und wie läuft dann das konkrete Zerwirken ab?
Als Erstes kommt das Haupt herunter und die Vorderläufe werden gekürzt. Anschließend wird das Stück aus der Decke geschlagen. Jetzt ist es bereit für das grobe Zerwirken. Da werden zuerst die Schultern, dann der Träger runtergelöst, woraufhin die Federn abgetrennt werden können. Beim Reh kannst du eh von vornherein nichts Besonderes mit der Region um die Rippen anfangen, denn da ist kaum etwas dran. Beim Rotwild kommt es auf den Schuss an, aber die Trefferlage gestaltet sich meistens so, dass du auch hier die Federn vergessen kannst. Bevor zur Knochensäge gegriffen wird, kann man sich die angedachte Schnittlinie durch leichtes Einritzen mit dem Messer markieren. Auf diese Weise lässt sich ein versehentliches Abrutschen in die wertvollen Teile am Rückgrat vermeiden. Bevor es mit dem Rest weitergeht, schneide ich noch extra das Filet heraus, da es sich sonst nicht in seiner ganzen Länge erhalten lässt. Danach wird die Rückenpartie vollständig ausgelöst, wonach im Wesentlichen nur mehr die zwei Schlögel da sind. Die trenne ich dann noch vom Schloss runter und schon liegen die kulinarischen Hauptteile einzeln vor mir: der Träger, die Schultern, das Filet, der Rücken und die Schlögel. Das Stück ist somit grob zerwirkt. Oft reicht das schon, viele Gastronomiebetriebe nehmen das Wildbret überhaupt nur aus der Decke geschlagen und machen sich den Rest selber. Die wollen ja so viel wie möglich von ihrem Kauf nutzen. Es lässt sich jeder Abschnitt und jeder Knochen zumindest für Suppe oder Sonstiges gebrauchen.
Lassen sich wirklich alle Teile nutzen?
Grundsätzlich lässt sich wirklich alles verwerten! Man muss nur wissen wie! Selbst Lauscher und Läufe des Rehwildes können getrocknet werden und später als Hundefutter dienen. Beim Rotwild fängt es schon bei den Backen an. Manche Leute essen sogar den Lecker gerne. Natürlich können auch die Decken prinzipiell gegerbt werden, was wir normalerweise nur beim Gams machen lassen.
Und wie läuft es dann beim Feinzerwirken?
Das ist dann wahrscheinlich etwas komplizierter, oder?
Hier löst man dann die Knochen aus den vorher erwähnten Hauptsegmenten und bereitet passende Portionen fürs Vakuumieren und Einfrieren vor. Das meiste am Zerwirken ist selbsterklärend – im Prinzip muss man sich einfach mal drübertrauen. Grad beim Schlögel zum Beispiel: Da sind unterschiedliche Fleischteile beisammen, welche sich aber eigentlich von selbst finden lassen, wenn vorsichtig vorgegangen wird. Man braucht grundsätzlich nur langsam mit dem Messer den Muskelfasern zu folgen und schon hast du automatisch die verschiedenen Teile. Während der Schlögel etwas Feingefühl braucht, sind die Schultern sehr einfach auszulösen. Die lässt du entweder am Knochen und garst sie als Ganzes oder du schärfst das Fleisch ohne besonderen Aufwand herunter. Meiner Meinung nach ist das Wildbret von der Schulter nur für Gulasch oder Faschiertes geeignet und dementsprechend ist es völlig gleichgültig, wie es herausgeschnitten wird. Am besten zerkleinert man sein Gulaschfleisch gleich in mundgerechte Stücke und friert es in passender Portionsgröße ein. So fällt dann beim Kochen kein extra Aufwand an. Generell schau ich immer darauf, dass ich das ganze Fleisch von vornherein verwendungsfertig zuputze. Das ist beim Wild eh leicht, da das keine besonderen Fetteinlagerungen oder dergleichen an den wichtigen Stellen hat. Natürlich finden sich aber schon auch solche Sachen wie große Adern, die weggeschärft gehören. Was beim Zuputzen an Abschnitten anfällt, kommt alles auf den Gulasch- bzw. Faschier-Haufen. Das betrifft allerdings nur wirkliches Muskelfleisch, keine Arterien, Silberhäute etc. Ob die Abschnitte ins Gulasch oder in den Fleischwolf kommen, entscheide ich dann am Schluss je nach Beschaffenheit und Menge. Man sollte nicht unterschätzen, welchen Aufwand das Faschieren selbst und die anschließende Reinigung des Wolfs darstellen. Aus diesem Grund verkaufe ich eigentlich kein Faschiertes.
Hast du noch weitere Tipps für Anfänger?
Es ist sehr schwer zu erklären, wie man schneidet, wenn nicht das Stück vor einem hängt. Verkürzt gesagt, geht es am Ende des Tages einfach darum, seine Schnitte schön am Knochen entlangzuführen. Beispielsweise beim Schloss: Da muss vorsichtig am Rand des Beckens entlang geschnitten werden, bis man innen auf die Gelenkkugel trifft. Die wird von einer kleinen Sehne zusammengehalten. Um diese zu durchtrennen, fährt man einfach mit dem Messer in die Muschel des Gelenks hinein, was den Halt zwischen Schloss und Schlögel schon wesentlich lockert. Die Kugel bleibt am Oberteil des Hinterlaufs, die Muschel am Schloss. Das ist wie gesagt eigentlich eh selbsterklärend, da man quasi automatisch darauf gestoßen wird. Klar: Jeder wird garantiert auch einmal versehentlich ins schöne Fleisch hineinschneiden. Aber darum geht’s ja nicht. Fehler gehören einfach zum richtigen Lernen dazu und beim nächsten Mal schon setzt man den Schnitt richtig. Wer lieber auf Nummer sicher gehen möchte, kann auch einen Kurs fürs Zerwirken besuchen, doch wirklich lernen kann man nur durch eigenes, direktes Handanlegen. Darüber hinaus gibt es eigentlich nicht mehr viel zu sagen. Sein Messer sollte man halt immer schön scharf halten, weshalb sich die Investition in einen guten Schleifer auf jeden Fall auszahlt.
Was gilt es beim Vakuumieren zu beachten?
Kammer-Vakuumierer zeigen grundsätzlich die beste Leistung. Für den Eigenbedarf braucht es aber absolut kein so kostspieliges und sperriges Gerät. Da reichen die einfachen Modelle, wie es sie etwa beim Lagerhaus gibt, vollkommen aus. Beim Verpacken selbst braucht es ebenso kein großes Prozedere. Ein Umkrempeln der Plastikfolie damit kein Fett an den Rand kommt oder ähnliches ist unnötig, denn das Vakuum wird so oder so halten. In den meisten Haushalten dürften mehrere kleinere Pakete wohl wesentlich praktischer sein als ein einziger riesiger Block Wildbret. Das fertig abgepackte Fleisch sollte idealerweise mit Datum und Sorte beschriftet werden, damit auch noch nach längerer Zeit in der Gefriertruhe gleich erkennbar ist, was man da in der Hand hat. Irgendwann schaut nämlich alles gleich aus und du denkst dir: Was war das jetzt noch einmal? Um das zu verhindern, gibt es mancherorts auch schon vorgedruckte Etiketten zu kaufen, welche ein schnelles Beschriften ermöglichen. Am besten ist es, wenn das Wildbret direkt nach dem Vakuumieren eingefroren wird, denn abgehangen ist es zu dem Zeitpunkt ja schon. Es kann auch noch zwei, drei Tage im Kühlschrank liegen gelassen werden, aber die Wahrscheinlichkeit, dass man so viel Fleisch in der kurzen Zeit vertilgt, ist relativ gering. Einfach gleich einfrieren und schon hast du ein hochqualitatives und haltbares Lebensmittel jederzeit zur Verfügung. Wildbret ist und bleibt ja das gesündeste Fleisch.
Hab vielen Dank für deine Auskünfte Johanna. Wir wünschen dir noch viel Weidmannsheil und Freude beim Zerwirken!