Sie arbeitet an der Kasse eines großen Einkaufszentrums. Den ganzen Tag über wird sie musikalisch umspült, muss Fragen beantworten und aufgebrachte Kunden besänftigen. Die Weihnachtszeit ist besonders schlimm. Jeder und alles ist laut, gestresst und unfreundlich. Sonjas Ohren dröhnen und ihr Kopf ist voll mit Dingen, auf die sie gerne verzichten würde. Der Lärm der Stadt tut sein Übriges. Nirgends ist es still. Als Kind hat sie es gefühlt – dieses Nichts der Stille. Innen und außen. Und jetzt sehnt sie sich so sehr danach, dass sie ihren Wunsch nach Stille zum ersten Mal ausspricht.
Das Christkind hat damit seine große Not, denn wo soll es auf Erden heutzutage noch Stille finden?
Am Heiligen Abend am späten Nachmittag kommt Sonja völlig erschöpft nach Hause.
Sie nimmt ihr Handy zur Hand und entdeckt die WhatsApp-Nachricht einer unbekannten Nummer. Ein Standort wird ihr angezeigt mit der Nachricht: „Dein Wunsch“. Neugierig geworden zieht sie sich warm an, draußen hat es zu schneien begonnen und es ist kalt geworden. Sie folgt dem Standort, der Weg dorthin nimmt circa drei Stunden Fahrt in Anspruch. Mit ihrem kleinen Auto geht es raus aus der Stadt und hinauf auf den Berg. Der Wald wird immer dichter und der angegebene Standort rückt näher. Plötzlich hat sie keinen Empfang mehr. Nachdem es nur einen Weg gibt, fährt sie einfach weiter, bis sie auf eine Lichtung trifft. Sonja überlegt kurz, ob sie hier wirklich aussteigen soll. Da ist doch nichts. Sie zieht ihre dicke Daunenjacke an und steigt aus. Klirrende Kälte schlägt ihr entgegen. Es schneit immer noch. Sie setzt sich auf einen Baumstumpf und wartet. Und wartet. Und dann plötzlich geschieht es: Sie hört die zarten Schneeflocken zu Boden fallen. Und dazwischen ist es – für ganz kurze Momente – STILL.
Das Christkind fügt in der Excel-Tabelle „Weihnachten 2024“ in der letzten noch leeren Spalte ein Häkchen ein und schließt den Laptop.