„Heuer feiern wir Weihnachten einmal anders. Ich werde einen Weihnachtsbaum im Topf kaufen, der ist eh schön und muss gar nicht geschmückt werden. Ihr braucht euch auch nicht zu schmücken, Kleidung egal. Geschenke nicht einpacken, einfach Namen raufschreiben und unter den Baum legen. Falls ihr Geld wollt, überweisen wir. Essen bestellen wir beim Chinesen, der liefert auch am 24. Dezember, habe ich schon gegoogelt. Dieses Mal alles easy. Eure Oma“
Die Nachricht in der Familiengruppe war kaum da, klingelte schon das Telefon. „Mama, was ist mit Omi los? Kein geschmückter Baum? Das mit den Geschenken finde ich ja ganz okay, obwohl …“ Moritz, mein Sohn, war verunsichert. Gleich darauf kam eine Nachricht von meinem Mann. „Was ist mit deiner Mutter los? Habe doch schon Geschenke besorgt und liebevoll einpacken lassen. Wir müssen reden!“ Schon wieder läutete das Telefon. Sophie, meine Tochter, rief an: „Mami, ich möchte mich am Weihnachtsabend schön anziehen, so wie immer. Ihr doch auch, oder? Und ich wünsche mir den schön geschmückten Baum mit den Kerzen und dem alten Schmuck von Ur-Omi.“ Und weiter ging es: „Urkomisch was Omi da schreibt. Ohne die traditionelle Würstelsuppe geht gar nichts. Junkfood vom Chinesen esse ich hier ihn Wien eh immer. Das mit dem aufgehobenen Sakko-Hemd-Zwang finde ich gut. Gruß und Kuss, Ferdi.“ So lautete die Sprachnachricht meines anderen Sohnes. Was dieser kurze Weihnachtswunsch meiner Mutter nicht alles auslöste … Ich musste schmunzeln. Viel zu gut kannte ich sie und ihre klugen Beweggründe.
Am 24. Dezember hatten wir uns in diesem Jahr dann besonders schön gemacht. Sogar Ferdi warf sich mit Hemd und Sakko in Schale, ohne Diskussion. Schon von weitem rochen wir den Weihrauch, mit dem mein Vater es jedes Weihnachten etwas zu gut meinte. Kaum war die Haustür geöffnet, sahen wir den Christbaum im Wohnzimmer glitzern und Erleichterung machte sich breit. Aus der Küche duftete es, die selbstgemachte Rindsuppe und der Kren für die Würstel danach kitzelten unsere Nasen. Wir feierten Weihnachten wie immer und genossen jeden Augenblick, denn fast wäre er uns abhandengekommen, unser traditioneller Weihnachtsabend. Beim Verabschieden hörte ich noch, wie Moritz zu meiner Mutter sagte: „Omi, nächstes Jahr feiern wir wieder so. Traditionen muss man leben, hochhalten und weiterführen.“
Frohe Weihnachten