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Ein kurzer Blick auf Ausmaß und Auswirkungen der fürstlichen Jagd im 18. Jahrhundert

Die barocke Hofkultur ist allgemein für ihren Hang zu überbordender Pracht bekannt, welche sich noch heute in architektonischen Zeugnissen wie etwa dem Stift Melk oder auf musikalischem Gebiet in den Werken Bachs und Händels bewundern lässt. Der von der Obrigkeit ausgehende Drang zur luxuriösen Fülle beschränkte sich jedoch keineswegs ausschließlich auf die Künste, sondern drang in nahezu alle adeligen Lebensbereiche vor, was auch das damalige Jagdwesen grundlegend beeinflusste. Im Vergleich zu den vor mehr als 200 Jahren durchgeführten Hofjagden erscheinen in unseren Tagen selbst die ausgedehntesten Jagdreisen oder der Erwerb der teuersten Ausrüstung als bloße finanzielle Randnote.

 

In der hier behandelten Zeit war die Jagd ein Vorrecht des Adels und fungierte für diesen als bedeutendes Instrument der Selbstdarstellung und Abgrenzung von anderen sozialen Schichten. Den normalen Untertanen war beispielsweise lediglich der Vogelfang uneingeschränkt erlaubt und der Landadel durfte offiziell nur der Niederen Jagd auf Tiere wie Hasen, Füchse, Fischotter und Eichhörnchen nachgehen. Rot-, Dam- und Schwarzwild standen unter der alleinigen Kontrolle des hochadeligen Landesfürsten, welcher in seiner Gunst stehenden Personen im Rahmen sogenannter „Gnadenjagden“ bestimmte oder allgemeine Jagdrechte verleihen konnte. Die Jagd diente also auch innerhalb der Oberschicht zur Markierung sozialer Unterschiede.

 

Was den hierarchisch Hochstehenden zur Ertüchtigung, Unterhaltung und Repräsentation diente, bedeutete für den Rest der Bevölkerung häufig eine schwere Last. Denn wenn die einfachen Menschen auch von der Jagd selbst weitestgehend ausgeschlossen waren, wurde ihr Leben dennoch in vielen Regionen wesentlich vom Weidwerk beeinflusst. Dem adeligen Grundherrn stand nämlich die Einforderung einer Jagdfron zu, welche die Landbevölkerung zum Verrichten bestimmter Arbeits- und Sachdienste verpflichtete. So waren die umfangreichen baulichen Vorbereitungen für die fürstlichen Prunkjagden, welche mitunter die Errichtung von Tribünen und das Aufstauen künstlicher Wasserflächen umfassen konnten, nur mit der unfreiwilligen Hilfe der lokalen Einwohner zu stemmen. Des Weiteren mussten einzelne Dörfer manchmal für Unterbringung und Verköstigung ganzer Jagdgesellschaften samt Dienern, Knechten und Tieren sorgen. Zum Teil wurden die Untertanen auch zur unbezahlten Aufzucht und Unterhaltung von Jagdhunden verpflichtet, was als „Hundsaufstockung“ bzw. „Hundelege“ bezeichnet wurde. Darüber hinaus wurden die Ernten der Bauern durch die obrigkeitliche Jagd geschädigt, da sich das in manchen Landstrichen auf unnatürliche Bestandszahlen hochgehegte Wild an den Feldern gütlich tat oder adelige Reiter rücksichtslos über die fruchttragenden Äcker preschten. Zudem war ein großer Teil der Jagdfron in der ohnehin arbeitsreichen Erntezeit zu leisten.

 

In den hochadeligen Kreisen des 18. Jahrhunderts erfreute sich die Parforcejagd besonderer Beliebtheit. Ähnlich wie bei der Drückjagd wurde auch hier Wild durch Hunde und Treiber aus seinen Einständen aufgescheucht und in bestimmte Richtungen gelenkt. Der wesentliche Unterschied bestand jedoch darin, dass die Jagdgesellschaft den Hirschen, Rehen, Wildschweinen und manchmal auch Wölfen hoch zu Ross nachritt. Hierzu wurden in den Wäldern extra für Pferde gangbare Schneisen angelegt, breitere Wasserläufe wurden mittels Flößen passiert. Der zeitweilige Standort des vom Jagdherrn zuvor bestimmten Hauptstücks wurde durch spezielle Hornsignale oder Rufe übermittelt. Ziel war es, das auserkorene Wild so weit zu ermüden, dass es sich den nachsetzenden Hunden stellte, woraufhin es erlegt werden konnte. Wenn man etwa eines Hirsches auf diese Weise nicht habhaft werden konnte oder wenn dieser die Hunde attackierte, wurden diesem kurzerhand die Sehnen der Hinterläufe durchschnitten. Das Abfangen des gehessten Stücks erfolgte schließlich mittels eines Hirschfängers, was das ausschließliche Privileg des hinzugeeilten Jagdherrn darstellte. Stellte sich der Hirsch im Wasser, wurde eine Kugel auf dessen Haupt abgefeuert. Manche Aristokraten vereinfachten sich die üblicherweise circa zwei, aber manchmal auch bis zu neun Stunden dauernde Parforcejagd durch das sogenannte „Bilbaudieren“. Hierbei ließ man den ausgesuchten Hirsch bewusst krankschießen und konnte die Hunde so auf die vergleichsweise einfach zu verfolgende Schweißspur ansetzen. Interessanterweise behielt der erfolgreiche Jagdherr nicht das Geweih, sondern den rechten vorderen Lauf des Hirsches als Trophäe. Das Wildbret wurde unter den Anwesenden verteilt, was auch die Jagdhelfer mit einschloss. Der Löwenanteil wurde aber an die Hunde verfüttert.

 

Die Auswirkungen der fürstlichen Jagdleidenschaft schlagen sich in beeindruckenden Zahlen nieder: Im Herzogtum Württemberg des Jahres 1769 waren 40.270 Mann, circa 12.000 Ochsengespanne sowie 7.300 Pferde als für den Jagdfron verpflichtet gemeldet. Für eine Jagd in dem in der Nähe Stuttgarts liegenden Ort Degerloch wurden innerhalb von ungefähr sechs Monaten insgesamt 33 Bauten errichtet, was auch einen künstlichen See einschloss. Um den erlauchten Jagdgästen eine imposante Wilddichte präsentieren zu können, wurden mehr als 5.000 Stück Wild eingefangen und in der Nähe des vorgesehenen Jagdgebiets gehegt. Derartige Maßnahmen sorgten dann auch für das Zustandekommen von geradezu astronomisch hohen Strecken. Bei einem Jagdfest für die Herzogin von Württemberg im Jahr 1748 wurden 500 Stück Rot- und Schwarzwild erlegt und in Moritzburg bei Dresden waren es 1730 mehr als 1.000 Stück. Die hohen Streckenzahlen lassen sich hierbei weniger durch das weidmännische Geschick der Mächtigen, als vielmehr durch die sorgfältigen Vorbereitungen ihrer Untergebenen erklären. Bei solchen Jagdfesten wurde das Wild nämlich meist durch mit großen Tüchern abgegrenzte Korridore direkt vor die Läufe der Adeligen getrieben, welche sich häufig auf einer eigens errichteten Tribüne befanden. Im weitesten Sinne lässt sich dies als eine Art aristokratische Vorform der heutigen Drückjagd betrachten. Dabei wurden jedoch die schwierigen Elemente, welche in unseren Tagen Geduld, Reaktionsvermögen sowie Treffsicherheit vom Schützen fordern und somit eben den besonderen Reiz dieser Jagdform ausmachen, durch den betriebenen luxuriösen Aufwand neutralisiert.

 

Dieser für die Hofjagd betriebene Aufwand belastete viele der herrschaftlichen Kassen schwer. So hatte das Jagdverhalten von Carl Wilhelm Friedrich, dem Markgrafen von Brandenburg-Ansbach zwischen 1730 und 1755, weitreichende politische Folgen. Der Landesfürst investierte Unsummen in die von ihm geliebte Beizjagd, bei deren Ausübung er in 26 Jahren sage und schreibe 34.429 Stück Wild erbeutete. Zusammen mit den Ausgaben für die Parforcejagden seines Sohnes führte die Passion Carl Wilhelm Friedrichs zum Bankrott der Hoffinanzen. Auch andernorts wurden hohe Ausgaben getätigt, die unter anderem so skurrile Dinge wie fackelbewehrte Hunderüstungen oder unterirdische Pirschwege finanzierten.

 

Ein Blick in die Geschichte zeigt, welch hoher sozialer Stellenwert der Jagd im absolutistischen Gesellschaftssystem zukam und wie sehr sich die Landesfürsten mit ihr beschäftigten. Andererseits wird ebenso deutlich, wie die Jagd auf Kosten der einfachen Landbevölkerung und des mehr oder weniger als bloße Zielscheibe wahrgenommenen Wildes zu einem Vehikel der Machtdarstellung sowie der dekadenten Unterhaltung wurde. In diesem Licht wird zudem wieder einmal die immense Bedeutung unseres heutigen Ideals der Weidgerechtigkeit deutlich. Wenn es in unseren Tagen auch weit weniger prachtvoll zugehen mag, dürfte die heutige Situation der Jagd den meisten letztendlich doch weit angenehmer erscheinen.

 

Othmar F. C. Hofer

 

 

 

Empfohlene Literatur:

Carl Alexander Krethlow (Hg.): Hofjagd, Weidwerk, Wilderei. Kulturgeschichte der Jagd im 19. Jahrhundert. Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh 2015. ISBN: 978-3-506-78258-8.