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Im hohen Norden Deutschlands findet sich in Schleswig ein Mann, der theoretisches Geschichtswissen mit praktischem maritimem Können vereint. Jörg Nadler erweckt als historischer Fischer lange totgeglaubte Techniken wieder zum Leben und vermittelt sie Jung und Alt in ebenso anschaulicher wie fundierter Weise. 
Erfahrt hier, wie sich ein absoluter Spezialist immer wieder aufs Neue der Geschichte eines jahrtausendealten Handwerks annähert.
Würden Sie bitte kurz beschreiben, was Sie als historischer Fischer genau machen?

Ich rekonstruiere Fischereigeräte nach archäologischen Funden oder fertige sie nach historischen Vorbildern. Und wenn die entsprechenden Fischereitechniken noch erlaubt sind, probiere ich sie dann auch aus. Einige Techniken kann man heute aus Gründen des Tierschutzes nicht mehr nutzen. Die würde ich natürlich selbst niemals anwenden, doch stelle ich sie aus, da sie als Teil der Geschichte ebenso erwähnenswert sind. Beispielsweise ist die römische Fischerei mit dem Gift der Zyklamen bzw. Alpenveilchen eine solche Technik.

Wie sind Sie denn zu dieser besonderen Tätigkeit gekommen?

Ich hab mich als Kind schon für Fischerei interessiert. Gleichzeitig bin ich auch schon in den Museen immer an den Vitrinen gehangen. Im Urlaub mit meinen Eltern hab ich auch oft den Fischern zugekuckt und so entstand der Wunsch, einmal selbst einer zu werden. Da beides gut zusammenging, verband ich dann mein historisches Interesse mit meinem Berufsstand als Fischer.

Es dürfte wahrscheinlich recht aufwendig sein, an alte Aufzeichnungen und Fanggeräte als Quelle für Ihre Arbeit zu kommen, oder? 

Das ist regelrechte Detektivarbeit: Erst die Suche nach Vorlagen und die Frage nach der Umsetzbarkeit, danach gibt’s dann meist Probleme mit den Materialien und deren Beschaffung. Es geht immer recht abenteuerlich zu mit dem Ganzen. Dabei sind Museen stets sehr nett, denn die geben einem schnell viele Informationen. 

Dabei müssen Sie das Ganze ja auch mit Ihrem Brotberuf vereinbaren. 

Das ist nicht einfach. Im Augenblick hab ich das große Problem, dass ich leider lange krank war und mit den Folgen meines Bandscheibenvorfalls habe ich noch immer zu kämpfen. Ähnlich wie bei einem Landwirt kann ich als Fischer nicht einfach wegfahren, was natürlich die zeitlichen Möglichkeiten für Ausstellungen und dergleichen einschränkt. Andererseits verfüge ich durch meinen Beruf über die handwerklichen Fähigkeiten, um überhaupt die Sachen aus den Vorlagen nachzubasteln. Wenn bestimmte Fischereitechniken schon lange verloren sind, bewegt man sich da auf Neuland. 

Da spricht man doch von experimenteller Archäologie, oder? 

Ja, ohne die Vorarbeit der Archäologen könnte ich nichts machen. Schon bei so einigen Fischzügen hab ich die mit im Boot gehabt. Die Archäologen sind dann meist sehr begeistert und haben richtig Spaß dabei, das auch mal in Aktion zu beobachten. Ich biete die Möglichkeit zum Mitfahren an, da die Leute oftmals über etwas schreiben, dass sie von ihrem Beruf her gar nicht kennen.
Bei Ihrer Tätigkeit werden Sie sicher schon einige Überraschungen erlebt haben. 

Da gibt’s immer mal wieder welche, sehr große Fische zum Beispiel. Meistens schwimmen die in den kleinsten Gewässern, wo ich überhaupt nicht mit solchen Kalibern gerechnet hätte. Bei solchen Veranstaltungen konnte ich dann oft schon die gesamte Schar der Mitwirkenden mit Fisch zufriedenstellen. Es ist immer mal wieder was anderes. Ich komme rum, lerne eine Menge toller Leute und neue Museen kennen. Das finde ich schon nicht schlecht, wenn man so herumkommt. Sogenannte „Mittelaltermärkte“ besuche ich aber nicht, denn die wenigsten von denen haben den Anspruch, authentische Qualität zu bieten. Das merkt man auch an den Erwartungen des Publikums dort. Auf diesen Veranstaltungen werden häufig Dinge gezeigt, die mit der mittelalterlichen Realität nichts zu tun haben. Dabei verfügen wir durchaus über Quellen, die eine ernst gemeinte Rekonstruktion möglich machen. Ich arbeite daher lieber mit Museen zusammen. 

In Zeiten der voranschreitenden Urbanisierung stößt die Fischerei wie die Jagd nicht immer auf Verständnis. Wie sehen Sie da Ihren Platz in der Gesellschaft als (historischer) Fischer? 

Es gibt tatsächlich Anfeindungen. Zum Beispiel wurde ich schon einmal von PETA-Anhängern angespuckt, wobei ich bei dieser Veranstaltung nur ausgestellt und keine Fische gefangen habe. Aber weil die Informationen hatten, dass ich woanders auch tatsächlich fische, wurde es ganz hässlich. Naja, es gibt halt solches und solches. Man erreicht jedoch auch eine Menge Leute auf positive Weise. Bei Stadtmenschen ist es oft so eine Sache. Die haben zwei Hunde und drei Katzen und davon bekommen natürlich alle Fleisch zu fressen, aber Menschen dürfen keines essen, weil das klimaschädlich ist. Dabei hängt das doch immer davon ab, wie das Fleisch produziert wird. Da frage ich mich schon, warum die Leute grade Raubtiere als Haustiere halten. Was ich auch erlebe: An Schäden in der Natur sollen immer die Bauern oder Fischer schuld sein, während andere Probleme ausgeblendet werden. 

Wie würden Sie denn die Zukunftsaussichten Ihres Gewerbes beurteilen? 

Es ist natürlich schwierig vorauszusehen, wie es mit der Fischerei in Zukunft weitergehen wird. Ich bekomme zum Beispiel eine hohe Kormoran-Entschädigung, aber wichtiger wären mir gesunde Fischbestände. Das wäre viel entscheidender. Mein Beruf hat auf jeden Fall auch in Zukunft noch gute Chancen. Gerade der Blick in die Geschichte kann einem da helfen. Ich zum Beispiel nutze mit meinen Reusen eine Technik, die schon vor 10.000 Jahren erfunden wurde. Überhaupt stammen die wesentlichsten Grundlagen der Fischerei aus der mittleren Steinzeit. Seither herrschte immer eine Weiterentwicklung des Ganzen. Solange ich als Fischer arbeite, überlege ich mir also auch immer etwas Neues. Ich hab zwei Boote: Das eine ist genau so alt wie ich selber – ich bin jetzt 56. Das hat den technischen Stand der 60er-, 70er-Jahre. Das möchte ich trotz seines Verbrennermotors gern so behalten, da es sich um einen Oldtimer handelt. Beim anderen könnte ich mir eventuell einen Umbau auf elektrischen Antrieb vorstellen. Man sollte die Tradition erhalten, aber auch gleichzeitig auf die Zukunft achten und sich der Innovation nicht verschließen, um keine wichtigen Entwicklungen zu verschlafen. 

Wie würden Sie abschließend das (historische) Verhältnis zwischen Jagd und Fischerei beschreiben? 

Ich habe Literatur über die Fischerei in Nord- und Südamerika, Afrika und Asien, aus der deutlich wird: Es wiederholt sich unglaublich viel. Die Fischerei ist offensichtlich ein gemeinsames Kulturgut der Menschheit, ähnlich wie die Jagdtechniken. Ich hab heute beispielsweise an der Replik eines Bumerangs gearbeitet, der aus der römischen Kaiserzeit stammt und im Opfermoor von Oberdorla gefunden wurde. Man denkt ja bei Bumerang erst mal an Aborigines und Australien, aber dieser hier stammt aus Thüringen. Auch für die sonst aus Patagonien bekannte Bola wurden bei uns Funde aus der Steinzeit gemacht. Solche Jagdwaffen werden nur bestimmten Kulturkreisen zugeordnet, doch gibt es weltweit unglaublich interessante Parallelen. An der Elbe hat man in Sachsen-Anhalt sogar einen wohl für die Jagd auf Wasservögel bestimmten Bumerang gefunden, der aus der frühen Eisenzeit stammt. Der hat aerodynamische Eigenschaften, die einem Flugzeugflügel gleichen und mit seiner Biegung von 110 Grad kommt er nach dem Wurf auch wieder zurück. Das ist somit ein sehr altes europäisches Jagdwerkzeug, das mich ebenso als Fischer interessiert. 

Haben Sie vielen Dank für diesen Einblick in Ihre faszinierende Arbeit. Wir wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft. Petri Heil!