Wenn es um diese Kombination an gewünschten Wildarten geht, schießt dem aufmerksamen Leser der österreichischen und deutschen Jagdpresse sofort ein bestimmter Gebirgszug durch den Kopf: Der Dsungarische Alatau. Dieses Gebirge im Osten Kasachstans beherbergt die größte Steinbockdichte der Welt und ist trotz seiner schroffen Gipfel auf bis zu 3.500 Meter auch für Jäger mit einer durchschnittlichen bis guten Fitness gut bejagbar, vorausgesetzt die Vorbereitung stimmt.
So habe ich, Maximilian Reibenwein von RR Weltweites Jagen, unseren Kunden die folgenden Tipps gegeben:
Unumgänglich ist der professionelle Umgang mit der Jagdwaffe, die – am besten mit einem gestreckten Kaliber (in meinem Fall .300 WSM) und Ballistikturm ausgestattet – zuvor eingehend am 300-Meter-Schießstand getestet und eingeschossen werden sollte. Wichtig: In Kasachstan ist die Verwendung eines Schalldämpfers nicht erlaubt!
Darüber hinaus ist eine kompakte Packweise im Seesack notwendig, vor allem deswegen, weil das Gepäck in der Satteltasche des Pferdes vom Basiscamp ins Flycamp transportiert wird. Hier ist ein Koffer oder eine klobige Reisetasche nicht die richtige Wahl. Zusätzlich ist die Mitnahme eines mittelgroßen Jagdrucksacks – eines „Daypacks“ – empfehlenswert, um jegliche Utensilien vom Taschenmesser über die Munition bis zur Kamera immer am Mann zu haben. Da im Hochgebirge Wetterumschwünge recht schnell vonstatten gehen, sollte man sich gemäß dem sogenannten „Zwiebelschalenprinzip“ bekleiden, so kann man seine Schichten je nach Temperatur und Witterung rasch verringern oder erweitern. Auch ein Regenponcho kann nicht schaden.
Nun aber genug der organisatorischen Hintergrundinformationen. Unsere lang ersehnte Reise findet schließlich im Oktober 2023 statt:
Nach einem komfortablen Flug mit Aufenthalt in Istanbul erreichen wir unsere erste Zwischendestination, die größte Metropole Kasachstans: Almaty. Am Flughafen werden wir herzlich von unserer kasachischen Veranstalterin, die professionell alle Einreiseformalitäten für uns erledigt, empfangen und steigen in zwei geländegängige Busse, um eine etwa achtstündige Fahrt Richtung Osten anzutreten.
Etwas erschöpft erreichen wir das Basiscamp, wo bereits die Pferde für unseren Aufstieg am darauffolgenden Morgen vorbereitet werden. Einige davon werden frisch beschlagen, um einen sicheren Transport auf dem schroffen, felsigen Untergrund zu gewährleisten.
Der erste Kontakt
Nachdem alle Jäger ihre Pirschführer für die folgende Woche kennengelernt haben, werden die letzten Vorbereitungen getroffen. Kleidung, Equipment und Verpflegung werden in den Satteltaschen der Pferde verstaut. Fertig adjustiert und in der Hoffnung, nichts Essenzielles vergessen zu haben, starte ich zusammen mit meinem Jagdkollegen Fritz und unserem Guide Usein den Aufstieg im steinigen, aber doch hügelig erscheinenden Terrain. Wie ich meine, ist das Erscheinungsbild des Dsungarischen Alataus vergleichbar mit dem der österreichischen Nockberge.
Nach vier Stunden erreichen wir eine kleine Schäferhütte, in deren unmittelbarer Nähe wir zwei Zelte aufschlagen. Wir haben allerdings nicht viel Zeit, um uns in unseren Herbergen einzurichten, denn sehr bald kommt die Anweisung von Usein, dass es zur Jagd gehen soll. Schon im Vorhinein erzählt er uns, dass er mehrere gute Steinböcke – „good Papas“, wie er sie zu nennen pflegt – bestätigt habe.
So erreichen wir nach einer halben Stunde zu Pferd eine Position, die uns einen weitreichenden Ausblick ermöglicht. Der erste Anblick lässt nicht lange auf sich warten und so können wir in dem betrachteten Kessel zwei Gruppen an Steinwild ausmachen, die eine in 600, die andere in 900 Metern Entfernung. An einen Schuss ist aufgrund der fortschreitenden Dämmerung und der hohen Entfernungen nicht zu denken, dennoch haben wir den einen oder anderen Anhaltspunkt für den nächsten Morgen gewonnen. Der Anblick einer Bärin mit ihrem Jungen in der Abendsonne ist ein schöner Abschluss des ersten Jagdtages. Nach einem heißen Chai und einem kleinen Abendessen legen wir uns in unsere Schlafsäcke, die für tiefere Minusgrade ausgelegt sind. Dies ist auch ein durchaus notwendiges Attribut, denn der Tau auf den Planen unserer Zelte ist bereits gefroren.
„Big Papa!“
Bereits um 6 Uhr morgens verlassen wir unser Flycamp, um eines der beiden bestätigten Steinbockrudel zu suchen. Eineinhalb Stunden lang reiten wir über einige Grate und hinein in die angrenzenden Täler. Plötzlich hält Usein mit seinem Ross an und wir steigen auf seine Anweisung schnell ab. Zu dritt wagen wir die ersten Blicke in den am Vortag auserkorenen Talkessel hinab, doch sofort vernehmen wir Warnpfiffe des Steinwildes. Sollten uns die Tiere so schnell entdeckt haben und unser erstes Anpirschen bereits so früh als Misserfolg enden?
Intuitiv ducken wir uns alle zu Boden, während unser Jagdführer die ebengenannten Pfiffe nachahmt: eine Strategie, die Tiere vom Abgehen abzuhalten, die Fritz und ich so nicht am Schirm hatten. Unerwarteterweise bleibt das etwa 30 Stück starke Rudel, in dem sich auch vier Böcke aufhalten, am Gegenhang stehen und bricht die kurze Flucht ab. Viel dürften sie wohl doch nicht mitbekommen haben. Von diesem Zeitpunkt an muss alles schnell vonstatten gehen: Fritz öffnet das Zweibein der Waffe und richtet sich ein, währenddessen versucht Usein, ihn anzuweisen, welcher der Steinböcke wohl der beste sei: „Big Papa links unten!“
Obwohl Fritz kurz Schwierigkeiten hat, das gräuliche Wild am felsigen Hintergrund auszumachen, funktioniert die Kommunikation mit dem kleinen gemeinsamen Vokabular recht akzeptabel. Noch kurz warten, bis sich der 280 Meter entfernte Auserwählte breitstellt, und der Schuss bricht.
Der Steinbock liegt im Feuer und die gemeinsame aus dem Jagderfolg resultierende Freude ist überwältigend. Bereits am zweiten Jagdtag hat es für Fritz mit seinem sibirischen Steinbock im Dsungarischen Alatau geklappt. Den raschen Abschluss haben wir bestimmt neben der erstklassigen Arbeit unseres Pirschführers auch den sonnigen, nahezu windfreien und vor allem nebelfreien Wetterverhältnissen zu verdanken. Keine Selbstverständlichkeit im Hochgebirge.
Doch die wahre Arbeit haben wir noch vor uns, nämlich die Bergung des erbeuteten Wildes. An den Zügeln führen wir unsere drei Pferde zum Anschuss, dies aus dem einfachen Grund, dass wir die Tiere so zum Transport des Wildbrets und der Trophäe nutzen können.
Am erlegten Steinbock angekommen, werden die obligatorischen Erlegerfotos gemacht und die Schläuche begutachtet. Wir haben einen 11 Jahre alten Bock mit einer Trophäenlänge von 122 cm vor uns: ein äußerst kapitaler und vor allem reifer Ibex!
Usein zieht die Decke des Steinbocks ab, bevor er Schultern, Schlögel und Rücken abtrennt und in großen weißen Säcken, die sich zum Transport am Pferd eignen, verpackt. Ganz wie nach unserem europäischen jagdlichen Verständnis wird penibelst sauber gearbeitet, um bestes Wildbret für die Zubereitung im Basiscamp zu erhalten. Der Rest des Steinbocks verbleibt an Ort und Stelle, so können wir auch einen kleinen Teil der Natur überlassen. Usein meint, Bären und Wölfe werden sehr bald dafür sorgen, dass nichts mehr vom Steinbock übrigbleibt.
Der zweite Schlag …
Nachdem Fritz seinen jagdlichen Erfolg verzeichnen konnte, soll es nun auch für mich auf einen sibirischen Steinbock gehen. Der aufmerksame Leser weiß, dass wir am ersten Abend unserer Jagd neben dem Rudel, aus dem Fritz später seinen Bock erlegt, noch eine weitere Truppe an Wild bestätigt haben.
Das Programm und unsere Vorgehensweise sind uns also bekannt und so starten wir erneut voller Motivation einen längeren Aufstieg mit unseren Pferden. Diesmal geht es vom Flycamp in eine andere Richtung – spannend, verschiedene Teile des riesigen Jagdgebiets kennenlernen zu können.
Auf dem vom Pirschführer auserwählten Aussichtspunkt angekommen, haben wir vorerst keinen Anblick, doch nach und nach können wir auf große Entfernungen mehrere Rudel Steinwild ausmachen. Usein macht mit meiner Kamera ein Bild von einem Bock, der etwa einen Kilometer von uns entfernt äst. Er zeigt mir das Foto und es ist keinesfalls eine schwierige Entscheidung, dass wir es wohl auf diesen „Alten“ probieren. Ich blicke auf das Bild eines kapitalen Steinbocks, vom Erscheinungsbild her genau wie ich ihn mir erträumt hatte. Doch all die Träumerei bringt uns nicht weiter, wie sollen wir es angehen? Uns trennt ein großes Tal vom Wild, in der Mitte ein bewachsener Graben und auf den Hängen immer wieder größere Felsen.
Usein und ich nehmen die Füße in die Hand und beginnen abzusteigen. Als wir einen markanten herausragenden Felsbrocken erreichen, meint mein Guide, dass wir es von hier probieren sollen. An ein näheres Heranpirschen sei aufgrund des Terrains und der Fähigkeit des Steinwildes, auch auf weite Distanzen gut zu äugen, nicht zu denken.
So weit, so gut. Doch der kapitale Steinbock ist knapp 400 Meter entfernt – ein Schuss, den meine technischen Möglichkeiten durchaus erlauben, dennoch kein einfaches Unterfangen.
Der Hornträger steht breit, ich habe vorne am Zweibein und hinten am Rucksack aufgelegt und meinen Ballistikturm den Bedingungen entsprechend angepasst. Einmal noch tief durchatmen und ich lasse die .300 WSM fliegen.
Verdammt, daneben! Usein teilt mir sofort mit, dass ich den Steinbock wohl überschossen habe. Nach dem raschen Repetieren bekomme ich noch einmal die Chance, ziele dieses Mal etwas tiefer an und die zweite Kugel verlässt den Lauf. Nun treffe ich das Stück mit einem perfekten Blattschuss und der Steinbock bricht zusammen. Gott sei Dank!
Aufgrund des unglaublich steilen Geländes (was mir wohl auch die zweite Chance ermöglicht), stürzt der Steinbock nahezu im freien Fall bestimmt 80 bis 100 Meter ab. Unfassbar, was die Schläuche aushalten, bis auf ein kleines ausgebrochenes Stück im linken Horn sind sie trotz des spektakulären Absturzes unversehrt geblieben. Ende gut, alles gut.
Ich habe einen Steinbock erlegt, der alle meine Erwartungen übertrifft: 13 Jahre alt und eine Trophäenlänge von 126 cm. Usein und ich fallen uns in die Arme, wir haben es geschafft. Obwohl es uns das extrem schroffe Gelände und eine große Schussentfernung nicht leicht gemacht haben, können wir eine unvergessliche Jagdgeschichte miteinander erleben.
Jetzt müssen wir den Gürtel etwas enger schnallen. Wer hinabsteigt, muss wohl den gleichen Weg – nun beladen mit dem erlegten Stück – auch wieder in die andere Richtung bestreiten. Zweieinhalb Stunden dauert es, bis wir unsere Rösser erreichen, aber diese Strapazen zahlen sich hundert Mal aus und man vergisst sie in der Sekunde, wenn der gewünschte Erfolg eingetreten ist.
Nach den weiteren, in der Folge des Erlebten recht entspannten Tagen, reiten wir zurück ins Basiscamp, wo wir unsere anderen Jagdkollegen wieder antreffen. Alle drei hatten Erfolg, auch sie konnten ihre gewünschten Trophäen zur Strecke bringen. Besonders erfreulich: Unser Freund Josef hat einen sehr alten Maralhirsch erlegen können, nach dem Abschliff des Unterkiefers dürfte er um die 15 Jahre alt sein.
Kasachstan ist eine Destination, in der man Jagd noch in ihrer pursten, aber infolgedessen auch intensivsten Form erleben kann. Wer es schätzt, vollkommen in unberührte Natur und fremde Kulturen einzutauchen, kommt hier auf seine Kosten. Diese unendlichen Weiten am eigenen Leib kennenlernen zu dürfen, ist keinesfalls selbstverständlich, doch es kann für jeden leidenschaftlichen Bergjäger eine bereichernde Erfahrung sein, den Traum einer solchen oder einer vergleichbaren Jagd zumindest einmal im Leben zu verwirklichen.