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Wie hast du’s mit dem Blei? Diese unschuldig daherkommende Gretchenfrage hat schon manche Stammtischrunde in unversöhnliche Lager entzweit. In der verbalen Schlacht ums Schwermetall wird nämlich wahrhaft scharf geschossen, geht es doch dabei um zentrale Themen wie weidgerechte Erlegung, Wildbretqualität und Naturschutz. Im zweiten Teil unserer Serie erwartet euch ein Überblick zum Thema bleifreie Jagdbüchsengeschosse, sodass sich niemand ganz auf eigene Faust mit der alchimistischen Kunst der richtigen Munitionswahl herumschlagen muss.
Bleifrei für die Umwelt? 

Bei aller Kontroversität des Themas gibt es einen Punkt, in dem wohl alle Diskussionsteilnehmer übereinstimmen: Blei ist nicht gesund. Definitiv nicht. Mit dieser nicht wirklich überraschenden Feststellung ist aber leider noch nicht viel gewonnen, denn Paracelsus erkannte als Zeitgenosse Fausts schon, dass vor allem die Dosis das Gift macht. In Munitionsfragen betrifft diese Tatsache hauptsächlich die Schädlichkeit von Metallrückständen für Ökosysteme als Ganzes und für den Menschen im Besonderen. Gelangt etwa ein durch den Aufprall verformtes Bleigeschoss in den Boden, gibt dieses nach und nach Ionen, also elektrisch geladene Atome, ab. Insbesondere in Erdschichten mit saurem pH-Wert kommt es so zu relevanten Kontaminationen mit dem Schwermetall. Stellt bleifreie Munition also die ökologisch unbedenkliche Variante dar? Leider nur bedingt, denn einschlägige Tests zeigten, dass die innovativen Projektile in deutlich grenzwertüberschreitendem Maße Kupfer an die Umwelt absondern. Dieses wirkt immerhin schon in geringen Dosen giftig auf Weichtiere und Mikroorganismen. In gewissen Fällen lösten sich aus den Legierungen sogar Spuren von Blei, was vor allem Messingprojektile, einmal aber sogar ein als reines Kupfergeschoss deklariertes Exemplar betraf. Keine relevanten Abgabewerte wurden hingegen für Zinn gemessen. Um mögliche Verunreinigungen durch Laufrückstände oder den Kugelfang zu vermeiden, wurden die Projektile übrigens in einer hydraulischen Presse verformt und nicht abgefeuert.

Eine toxische Beziehung? 

Wie schaut es nun mit der Gefährdung für Menschen durch die Aufnahme von Blei über den Konsum von Wildbret aus? Hier gibt ein Blick auf im Jahr 2010 von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit erhobene Daten Aufschluss. Innerhalb der Ernährung des Durchschnittsbürgers beträgt der Anteil von Wild lediglich 0,2 %, was etwaige Schwermetallbelastungen von vornherein wenig relevant für die Gesamtbevölkerung macht. So erfolgen beispielsweise ganze 6,2 % der durchschnittlichen Bleiaufnahme allein über den Bierkonsum, während Gerichte aus dem Fleisch von wildlebenden Tieren nur 0,04 % ausmachen. Eine im Auftrag des Deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung erstellte Studie bestätigt den Befund, dass Wildbret trotz gelegentlicher Ausreißer vom Bleigehalt her grundsätzlich unbedenklich ist. Analog dazu wurde auch keine höhere Gesamtbelastung bei der Verwendung von herkömmlichen Geschossen gegenüber der bleifreien Variante festgestellt. Es neigen zwar insbesondere Teilzerlegungsgeschosse zum Hinterlassen von per Röntgentechnik deutlich nachweisbaren Splittern im Wildbret rund um den Wundkanal, doch werden diese in den allermeisten Fällen im Rahmen des Aufbrechens bzw. Zerwirkens entfernt. Sollten es dennoch Projektilreste in den menschlichen Verdauungstrakt schaffen, werden nur Teile davon dauerhaft in den Körper aufgenommen, 30 bis 40 % bei Zink und Kupfer sowie 5 bis 10 % bei Blei. Kinder bis sieben Jahre verfügen jedoch über eine erhöhte Aufnahmefähigkeit und sind wesentlich anfälliger für Schädigungen des Nervensystems. Aus diesem Grund wird Schwangeren auch vom Verzehr bleihaltig erlegten Wildes abgeraten, obwohl eine direkte Gefährdung hierdurch bisher nicht nachgewiesen wurde. 

Geht’s ohne Blei nach hinten los? 

Ob mit Blei oder ohne, wenn es zu Abprallern kommt, kann jede Munitionsart schnell zur unkalkulierbaren Gefahr werden. Eine Versuchsreihe der Deutschen Versuchs- und Prüfanstalt für Jagd- und Sportwaffen (DEVA) ergab zwar, dass sich beide Projektilkategorien nicht in den Abprallwinkeln, sehr wohl aber in Größe sowie Wucht der umgelenkten Fragmente unterschieden. Die bleifreien Geschosspartikel waren im Schnitt um 36 % größer und um 28 % schneller als ihre konventionellen Pendants. In konkreten Längenmaßen gesprochen, äußerte sich dieser Unterschied in einer durchschnittlichen Flugweite von 747 Metern für bleifreie und 516 Metern für bleihaltige Munition. Eine Ausnahme bildeten hier Bleikerngeschosse mit großem Kaliber wie dasjenige der altehrwürdigen 9,3x74R, da diese durch ihre dickwandigen Mäntel beim Aufschlag kaum an Masse einbüßen. Die allgemein höhere Energie von bleifreien Abprallern muss nicht nur bei der Schussabgabe im Revier bedacht werden, sondern stellt mitunter auch die Betreiber von Schießständen durch verstärkte Abnutzungserscheinungen vor Herausforderungen. Ein durchaus ähnliches Problem ergibt sich ebenso in den Büchsen selbst, da die Bleiersatzstoffe im Lauf für verstärkte Ablagerungen sorgen. Kurzfristig wirken sich die Rückstände negativ auf die Treffgenauigkeit aus, während sie auf lange Frist durch eine Erhöhung des Gasdrucks eine Belastung für das Verschlusssystem darstellen können. Die DEVA legt Nutzern bleifreier Munition daher nach 20 Schuss die tiefgreifende chemische Reinigung ihrer Waffe nahe, und zwar mit einem ammoniakhaltigen Mittel, welches anschließend wieder gründlich entfernt werden muss, um Schäden zu vermeiden. 

Bleifreier Blattschuss – Muss oder Stuss? 

Der wichtigste und gleichzeitig umstrittenste Aspekt der Diskussion ist die Frage nach der Tötungswirkung bleifreier Geschosse. Immerhin stellt es eines der wesentlichsten Grundprinzipien der Weidgerechtigkeit und nicht zuletzt eine gesetzlich vorgeschriebene Notwendigkeit dar, den Todeskampf des Wildes bei der Erlegung so kurz und somit schmerzarm wie möglich zu halten. Die Wirkung bleifreier Projektile im Wildkörper war daher schon Gegenstand so mancher Studie, wobei ob der teils stark voneinander abweichenden Ergebnisse oft erst recht wieder mehr Verwirrung als Klarheit in der Jägerzunft entstand. Befördert wird dieses Durcheinander durch die Vielzahl der eingesetzten Munitionsarten und Kaliber sowie die höchst unterschiedlichen Erlegungsumstände – bekanntlich ist ja kein Weidmannsheil wie das andere. Die direkte Feststellung der Wirkweise verschiedener Munitionssorten mittels Sektion der frischerlegten Stücke durch geschulte Tierärzte würde einen riesigen Aufwand bedeuten, weshalb man auf andere Weise an die nötigen Daten zu kommen versucht. In dieser Beziehung wird häufig auf Erfahrungsberichte aus der weidmännischen Praxis zurückgegriffen, welche sich aus den oben genannten Gründen individuell stark unterscheiden können.

So erbrachte eine Feldstudie des Bundesverbandes Deutscher Berufsjäger (BDB) von 2012/13 ernüchternde Ergebnisse: Von den 40 Teilnehmern brachen 35 % die Verwendung der vom Landwirtschaftsministerium zur Verfügung gestellten bleifreien Munition noch während des Versuches ab, da sie die Tötungswirkung als zu gering erachteten. Ein Viertel der für eine Mitwirkung vorgesehenen Berufsjäger hatte infolge mangelnder Genauigkeit am Schießstand überhaupt von vornherein auf eine Nutzung der bleifreien Geschosse im Revier verzichtet. Die zusammengerechnete durchschnittliche Fluchtdistanz nach dem Schuss betrug bei konventioneller Munition 25 Meter, beim bleifreien Pendant ganze 76 Meter, also das Dreifache. Der Projektbericht zu einem Praxistest des Tiroler Jägerverbandes aus dem Jahr 2017 spricht demgegenüber von einer grundsätzlich guten Tauglichkeit bleiloser Laborierungen, sogar auf weitere Distanzen. Das Papier zur Studie, welche 1.045 Abschüsse von 80 Berufsjägern untersuchte, betont unter anderem die von Hersteller und Geschossaufbau abhängige Schussqualität innerhalb des bleifreien Segments. 

Was ist nun aus weidmännischer Perspektive von dem ballistisch hocheffektiven, doch eben giftigen Schwermetall zu halten? Soll man es so machen wie in Kalifornien, wo seit 2019 für die Jagd jegliche Bleimunition verboten ist? Immerhin scheint es dort seither keine gröberen Probleme zu geben. Andererseits dürfte der stark urbanisierte Golden State ohnehin keine besondere Vorbildfunktion in Jagdsachen haben, da seit einem jahrzehntelangen Rückgang lediglich ein Bruchteil (0,7 %) der mehr als 39 Millionen Einwohner über eine dementsprechende Lizenz verfügt. Uns hier in Mitteleuropa wird also nichts anderes übrigbleiben, als das Problem selbst anzugehen. Hierbei sollte sich jeder zunächst einmal individuell den Kopf über das Mittel seiner Wahl zerbrechen. Der Stein der Weisen, mit dessen Hilfe das missliebige Blei in (Geschoss-)Gold transformiert werden kann, wird dabei wohl leider eher nicht zum Vorschein kommen. Aber Hauptsache, man beschränkt sich nicht auf ein bloßes weidmännisches „Verweile doch!“.