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Bereits lange vor der Erfindung des Schießpulvers wussten die antiken Griechen und Römer die ballistischen Eigenschaften von Blei für sich zu nutzen und fertigten Geschosse für ihre Schleuderer daraus. Der Gebrauch erstreckte sich sogar bis in den Bereich der psychologischen Kriegsführung, da den Schleuderbleien manchmal Schmähsprüche auf den gegnerischen Feldherren oder bissige Kommentare eingeritzt wurden. Heute bereiten uns keine giftigen Bemerkungen mehr, sondern die tatsächlich toxischen Eigenschaften des Bleis beim Schießen Kopfzerbrechen. Da das Thema über ordentliche Sprengkraft verfügt, zahlt es sich gewiss aus, die ganze Sache noch einmal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
Am Anfang war das Amt

Die Europäische Chemikalienagentur wurde 2006 gegründet und hat ihren Sitz im finnischen Helsinki. Seither beschäftigt sich die auch unter dem Kürzel „ECHA“ bekannte Organisation dort mit der Untersuchung, Einstufung und möglichen gesetzlichen Beschränkung von etwaigen Gefahrenstoffen in der Europäischen Union. In dieser Funktion widmete sich die Behörde auch dem Eintrag von Blei durch Jagdmunition in die Umwelt, welcher insbesondere in Hinblick auf Feuchtgebiete und die darin siedelnden Wasservögel als hochproblematisch wahrgenommen wurde. Befeuert wurde die Diskussion unter anderem durch den Umstand, dass bei Brandenburgischen Seeadlern Bleivergiftung zu den häufigsten Todesursachen zählte. Ob die toxischen Mengen des Schwermetalls in den Greifvogelkörpern ausschließlich von der Aufnahme von Aufbrüchen herrührte, konnte nicht abschließend geklärt werden. Während die Munitionshersteller und Jäger immer stärker in die Kritik gerieten, legten Zahlen aus Schleswig-Holstein nahe, dass die allgemein stärkste Bedrohung für Seeadler wohl aus Windkraftanlagen hervorging. Die ECHA beschäftigte sich ihrem Wesen nach freilich nicht mit der Gewalteinwirkung durch Rotorblätter, sondern mit der Chemie von Geschossresten und kam 2017 zu dem Schluss, dass das darin enthaltene Blei eine gravierende Bedrohung für die Tierwelt in Feuchtgebieten darstellt. Im Bestreben um den Schutz jener empfindlichen Ökosysteme, auf welchen man sich mit der RAMSAR-Konvention international verständigt hatte, wurde auf EU-Ebene ein diesbezügliches Verbot der Verwendung bleihaltiger Schrotmunition erwogen.

Die Frage der Feuchtgebiete

Man einigte sich auf eine umfassende Definition des Begriffs „Feuchtgebiet“, welche gleichermaßen künstliche wie natürliche Gewässer und Moor- sowie Sumpflandschaften bis hin zu Feuchtwiesen umfasst. Dabei ist es gleichgültig, ob das in Frage kommende Areal ganzjährig oder nur vorrübergehend überflutet bzw. durchnässt ist. Die Wasseroberfläche muss lediglich über einem Quadratmeter liegen und auch Meeresabschnitte wurden eingeschlossen, sofern deren Tiefe bei Ebbe nicht über sechs Metern liegt. Das Gesetz, welches auch eine Pufferzone von 100 Metern rund um die in Frage kommenden Gebiete umfasst, trat schließlich am 15. Februar 2023 vollständig in Kraft. Seither ist nicht nur das Verschießen, sondern auch das bloße Mitführen von Bleischrotmunition bei der Jagd in Feuchtgebieten untersagt. Selbiges gilt zudem, wenn auf dem Weg zum eigentlichen Schießplatz eine derartig geschützte Fläche überquert wird. Sollte man von zuständigen Jagdschutz- oder Behördenorganen mit den verbotenen Geschosstypen in Tasche oder Kammer angetroffen werden, liegt es am betroffenen Weidmann, glaubhaft zu versichern, dass er damit nicht in dem Feuchtgebiet oder der dazugehörigen Abstandszone habe schießen wollen. Wie solche rhetorischen Kunststücke im Rahmen dieser Beweislastumkehr konkret aussehen sollten, sei dahingestellt. Fest steht jedoch, dass bei strenger Auslegung des Gesetzes jeder Wolkenbruch zum Problem würde, da selbst um größere Regenwasserlacken ein ordentlicher Bogen geschlagen werden müsste. Ein solcher Zick-Zack-Kurs ganzer Jagdgesellschaften im Felde würde sicher ein Spektakel hergeben, welches dem Ansehen und den Zwecken des Weidwerks nur förderlich sein kann.
Was ist schon dabei mit bleifrei?

Durch das neue Gesetz entstehen für den Bleiverfechter also organisatorische Schwierigkeiten, welche einen seichten Entwässerungsgraben schnell zum unüberwindbaren Hindernis machen. Warum also nicht einfach generell auf das giftige Schwermetall verzichten und sich die Aufregung sparen? Die Antwort auf diese berechtigte Frage hat hauptsächlich mit den ballistischen Eigenschaften des Elements zu tun: Bei Projektilen aus Weicheisen oder Stahl erfolgt die Energieübertragung auf den Wildkörper aufgrund der geringeren Dichte weniger effizient, was eine verminderte Schockwirkung und somit eine potenzielle Verlängerung des Todeskampfes zur Folge hat. Wenn die fehlende Dichte bei bleifreien Geschossen zwecks Energieübertragung ausgeglichen werden soll, müssen entweder Masse oder Geschwindigkeit erhöht werden. Für Kupfer würde das grundsätzlich eine Massensteigerung von 27 Prozent oder eine Geschwindigkeitserhöhung von 13 Prozent bedeuten. Durch die schlechtere Verformbarkeit des Halbedelmetalls bliebe die Leistung dennoch hinter herkömmlicher Munition zurück. Die Gesetzgebung schreibt jedoch eine möglichst rasche und schmerzfreie Erlegung vor, wodurch die Flintenjagd durch das De-facto-Verbot der wirksameren Bleimunition in einen tierschutzrechtlich wesentlich schwerer zu verteidigenden Bereich gedrängt wird. Während also das argumentative Arsenal der Jagdbefürworter eine Verschlechterung erfährt, werden Gegner des Weidwerks weiter aufmunitioniert. Darüber hinaus ergaben Studien der Technischen Universität München, dass auch die Ersatzstoffe in bleifreier Munition alles andere als ökologisch unbedenklich erscheinen, da sie umweltschädliche Zink- und Kupferionen in den Boden oder das Wasser absondern. Außerdem vergrößern bleilose Garben durch ihre erhöhte Neigung zum Abprallen das Risiko beim Jagen selbst. Für die eingesetzten Waffen bedeutet der höhere Härtegrad der neuen Projektile eine gesteigerte Abnutzung bei Verschluss und Läufen. Die ökonomische Bedeutung des Themas geht jedoch weit über einige unbrauchbar gewordene Jagdgewehrläufe hinaus, wie eine von der Dachorganisation der nationalen Jagdverbände in der EU (FACE) in Auftrag gegebene europaweite Umfrage zeigt. Ein Viertel der Teilnehmer würde bei einem beinahe totalen Verbot bleihaltiger Munition gänzlich mit der Jagd aufhören, während weitere 30 Prozent dem Weidwerk weniger häufig nachgehen würden. Dies würde Schätzungen zufolge in einem wirtschaftlichen Gesamtverlust von mindestens 5,7 Milliarden Euro resultieren. Blei stellt zweifellos einen problematischen Werkstoff dar, doch ist die Frage nach einem tauglichen Ersatzmaterial selbst nach Jahren der Diskussion ungeklärt. Da bleifreie Flintenmunition zurzeit aus der Perspektive der Weidgerechtigkeit und nicht zuletzt auch der Ökologie ebenso bedenklich erscheint, wird uns nichts anderes übrig bleiben, als weiterhin die Augen auf der Suche nach Lösungen offen zu halten und unser Bestes für einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens zu geben. Ohne weitreichendes weidmännisches Engagement könnte nämlich das Bleimunitionsverbot in nicht allzu ferner Zukunft unser geringstes Problem darstellen.