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Schwarze Rehe, weiße Gämsen

Farbanomalien beim Jagdwild

Schwarz wie Ebenholz und weiß wie Schnee – ein kurzer Einblick in Verbreitung und Ursachen von Albinismus und Co.

Gleichgültig, ob Hausfassaden, Autolackierungen oder Frisuren – außergewöhnliche Farben ziehen die Aufmerksamkeit der Menschen scheinbar automatisch auf sich. Dabei müssen es, zumindest was den weidmännischen Kontext betrifft, nicht immer grelle Töne sein. Durch Launen der Natur können sich dem Jäger manchmal pechrabenschwarze oder aber schneeweiße Stücke im Revier zeigen.

Schwarzwild einmal anders

 Von schwarzen Panthern wird wohl jeder schon einmal gehört haben, doch wie steht es mit schwarzen Rehböcken? Wer jetzt denkt, diese spezielle Erscheinung des Rehwildes ließe sich so wie die monochrome Großkatze nur in exotischen Gefilden oder gut ausgestatteten Zoos finden, irrt gewaltig. Das wegen seiner Seltenheit als besondere Jagdbeute begehrte dunkelhäutige Reh hat sein Hauptverbreitungsgebiet in der Tiefebene Norddeutschlands. Genauer gesagt, handelt es sich um die nördlichen Teile Niedersachsens, Nordrhein-Westfalens sowie Sachsen-Anhalts. Richtung Westen finden sich bis in die Niederlande hinein Exemplare und im Süden liegt die Verbreitungsgrenze im Raum zwischen Münster und Braunschweig. Isolierte Bestände an schwarzem Rehwild bestehen des Weiteren noch im hessischen Taunusgebirge sowie rund um das unterfränkische Bad Kissingen. Stellenweise hat es den Anschein, dass sich die dunkelhaarigen Wiederkäuer verstärkt in Mooren und anderen Feuchtgebieten aufhalten, was ihnen in manchen Gegenden auch die Bezeichnung „Sumpfreh“ eingetragen hat. Ein früher schriftlicher Beleg für die Existenz schwarzer Rehe in der Region stammt aus der Feder des Bischofs Milo von Minden, welcher gegen 980 n. Chr. verfügte, dass jährlich ein gewisses Soll an schwarzhäutigem Rehwild an seine Küche zu liefern sei. Hierbei muss es eigentlich rein um den optischen Effekt gegangen sein, denn hinsichtlich des Wildbrets lässt sich kein Unterschied zwischen besonders gefärbten und normalen Stücken feststellen. Es handelte sich wohl um einen klassischen Fall von „das Auge isst mit“. Das besondere Wild schien somit schon lange vor der modernen Jagd und dem ihr oftmals unterstellten Trophäenkult heiß begehrt gewesen zu sein. Dies beweist ein weiteres Beispiel: Gut 600 Jahre nach der Regierungszeit des kulinarisch interessierten Bischofs fand 1591 ein Briefwechsel zwischen Wilhelm, dem Landgrafen von Hessen-Kassel, und dem Braunschweiger Herzog Heinrich Julius statt. Darin trägt Erstgenannter die Bitte an seinen höhergestellten Standesgenossen heran, dass dieser ihm die in Aussicht gestellten schwarzen Rehe endlich zusenden möge. 

Eine bis in unsere Zeit verbreitete, doch nachweislich falsche Erklärung für das Vorhandensein schwarzen Rehwildes in Norddeutschland liefert eine Anekdote rund um Graf Wilhelm zu Schaumburg-Lippe. Diesem wird nachgesagt, er hätte das exotisch anmutende Wild Mitte des 18. Jahrhunderts als Souvenir von der Iberischen Halbinsel mitgebracht, wo er einige Zeit als erfolgreicher Heerführer in portugiesischen Diensten stand. In Wirklichkeit ist schwarzes Rehwild „made in Germany“ und dessen Ursprungsort hat man nicht am Mittelmeer, sondern viel mehr im östlichen Niedersachsen zu suchen. 

Eine Frage der Gene 

Die spezielle Färbung seiner Decke stellt das einzige äußerliche Merkmal dar, welches das „Schwarzwild“ von seinen Artgenossen unterscheidet. Im Vergleich wirkt der Körperbau von schwarzen Stücken zwar durchschnittlich schmächtiger, jedoch handelt es sich hierbei um eine optische Täuschung. Nicht nur in der Modewelt gilt nämlich: Schwarz macht schlank! In Sachen Geweihbildung lässt sich ebenso wenig ein Unterschied feststellen, außer vielleicht jener, dass bei den entsprechenden Böcken selbst der Bast schwarz daherkommt. Die farbliche Besonderheit hat genetische Ursachen und wird höchstwahrscheinlich rezessiv vererbt. Das bedeutet, beide Elternteile müssen das entsprechende Merkmal in ihrem Erbgut aufweisen, damit es bei ihren Nachkommen zum Vorschein kommt. Bei den betroffenen Stücken erfolgt eine gesteigerte Bildung von Melaninen, welche durch ihre körperliche Funktion als Farbpigmente die äußere Gestalt von Haar, Haut und Augen bestimmen. Analog hierzu ist das Phänomen der Schwarzfärbung in der Zoologie unter dem Fachbegriff „Melanismus“ bekannt. Melanismus ist im Tierreich weit verbreitet und kann verschiedene Ursachen haben. Bei Vögeln etwa kann es durch Störfaktoren wie Mangelernährung oder Stress zu einer Schwarzfärbung des Gefieders kommen, welche sich aber auch wieder zurückbilden und zudem nicht vererbt werden kann. Im Falle des Rehwildes wirkt sich die übersteigerte Produktion von dunklen Pigmenten dahingehend aus, dass es sich in der warmen Jahreszeit an exponierten Körperteilen wie Haupt oder Ziemer in einem glänzenden Tiefschwarz präsentiert. Die Unterseite geht dagegen schon etwas mehr in Richtung Grau. Der Winter sorgt durchaus arttypisch für etwas mattere Töne. Kitze werden mit bereits schwarzer Decke gesetzt, wobei aber die charakteristischen Flecken entlang des Rückgrats nicht fehlen. Es kommen zudem manchmal Rehe mit nur teilweise ausgeprägtem Melanismus vor, welcher sich zur Sommerszeit auf das Haupt und die Außenseite der Lauscher begrenzen kann.

Selten und begehrt

Aufgrund der besonderen genetischen Verhältnisse lässt sich ein dauerhafter Bestandsanteil an schwarzem Rehwild nur durch spezielle weidmännische Maßnahmen erhalten. Wenn dieses Ziel angestrebt wird, sollten die außergewöhnlich gefärbten Stücke nach Möglichkeit geschont und dafür die mit normaler Färbung verstärkt bejagt werden. Der hohe Wiedererkennungswert schwarzer Exemplare des ansonsten nur schwer individuell unterscheidbaren Rehwildes bietet zudem einen Vorteil für etwaige „Entwicklungsstudien“. Durch den konsequenten Abschuss jeglichen Rehwildes mit heller Decke gelang es Jägern nahe dem niedersächsischen Ort Hasten bis 1933, die Quote an dunklen Stücken auf sage und schreibe 90 Prozent anzuheben. Noch heute trägt die kleine Gemeinde westlich von Hannover einen schwarzen Bock im oberen Teil ihres Wappens. Trotz dieser recht extremen Hegemaßnahmen in der Vergangenheit stellt schwarzes Rehwild nach wie vor eine seltene Erscheinung dar. Es verwundert daher wenig, dass die Aussicht auf eine derart besondere Trophäe jedes Jahr wieder eine nicht geringe Zahl in- und ausländischer Jagdgäste in die einschlägigen Reviere Norddeutschlands lockt.

Hier kommt die Sonne!

Während die einen also über eine Riesenmenge an Farbstoff verfügen, gibt es andere, denen er teilweise oder völlig fehlt. Auch hier ist das Spektrum an möglichen Erscheinungsformen weit und reicht vom possierlichen Schoßhündchen bis zur mythischen weißen Gams. Wir brauchen jedoch gar nicht so weit zu schweifen, denn das naheliegendste Beispiel befindet sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in eurer unmittelbaren Umgebung. So unmittelbar, dass sich der suchende Blick im Raum erübrigt. Europäer wie Ostasiaten verdanken ihre helle Hautfarbe nämlich einer speziellen Form des Albinismus, welche sich bei ihren Vorfahren aufgrund der geringeren Sonneneinstrahlung in diesen Erdteilen durchgesetzt hat. Der menschliche Organismus ist zur Bildung von körpereigenem Vitamin D auf die von der Sonne stammende UV-B-Strahlung angewiesen, welche sich umso besser verwerten lässt, je heller die Haut ist. Dieser Umstand kommt vor allem im Winter des globalen Nordens zum Tragen, wobei die Eskimovölker mit ihrem relativ dunklen Hautton eine Ausnahme darstellen. Dies liegt zum einen daran, dass sie entwicklungsgeschichtlich gesehen erst für vergleichsweise kurze Zeit in arktischen Regionen leben und zum anderen über ihre fisch- und fettreiche Nahrung ihren Körpern ausreichend Vitamin D zuführen. Ein hoher Melanin Gehalt in der Haut macht diese hingegen widerstandsfähiger gegen UV-Belastung und somit weitaus weniger anfällig für Krebs.

Wer sich jetzt um über seine Vitaminversorgung den Kopf zerbricht, kann beruhigt sein. Für Personen mit dem kaum zur Bräunung neigenden hellen, „nordischen“ Hauttyp  II reicht es völlig, zwei- bis dreimal in der Woche Gesicht, Arme und Hände für ungefähr zwölf Minuten der Sonne auszusetzen. Im Winter kann es zwar trotzdem zum Versiegen dieser Vitaminquelle kommen, doch bildet ein gesunder Körper schon in Sommer und Herbst Reserven. Solarienbesuche helfen übrigens sehr wenig in dieser Beziehung, da dort vor allem mit UV-A-Strahlung gearbeitet wird. Diese kann nicht zur Vitamin-D-Produktion herangezogen werden, erhöht dafür jedoch das Hautkrebsrisiko beträchtlich.

Albinismus oder Leuzismus?

Bei Säugetierarten allgemein stehen die Chancen für die Geburt eines Albinos durchschnittlich bei 1: 10.000. Die Anzahl an Weißlingen ist aber höher, als es diese Quote vermuten lässt, denn mit dem Leuzismus existiert eine weitere derartige Genmutation, welche in ihrer ausgeprägten Form die Haut beziehungsweise das Haarkleid ebenso farblos erscheinen lässt. Die abgeschwächte Variante ist hingegen für die meisten Varianten der Scheckung verantwortlich. Auf genetischer Ebene unterscheiden sich leuzistische Lebewesen von albinotischen darin, dass erstgenannte über keinerlei Melanozyten, also pigmentbildende Zellen verfügen. Albinos hingegen besitzen grundsätzlich Melanozyten, welche jedoch kein Melanin produzieren können. Hinsichtlich der äußerlichen Erscheinung lässt sich mittels der Augenfarbe eine Unterscheidung treffen. Echte Albinos haben nämlich stets rote Augen, da die Blutgefäße der Netzhaut bei ihnen durch die Iris scheinen. Sind die Lichter jedoch dunkel, hat man ein laizistisches Stück vor sich, was immer noch selten, aber um einiges wahrscheinlicher ist. Obwohl Weißlinge sich in der Regel sehr deutlich von ihren Artgenossen abheben, fallen sie nicht unbedingt häufigen Raubtieren zum Opfer. Für zahlreiche Prädatoren spielt im optischen Bereich weniger das Äußere einer potenziellen Beute eine Rolle als vielmehr deren Verhaltens- und Fortbewegungsweise. In manchen Fällen könnte die ungewöhnliche Farbgebung sogar einen wirksamen Schutz darstellen, da das betreffende Tier so nicht in das gewohnte Beuteschema des Räubers fällt. In Hinblick auf eine etwaige Belastung durch UV-Strahlung kann sich die Hellhäutigkeit jedoch als erheblicher Nachteil erweisen. Beim Jagddruck durch den Menschen stellt die weiße Färbung hingegen wieder einen erheblichen Vorteil dar, da ein verbreiteter Aberglaube dem Erleger eines solchen Stückes sein baldiges Ende prophezeit. Wer mehr über diesen mythischen Aspekt der Materie erfahren möchte, ist mit unserem Artikel rund um Franz Ferdinand und die weiße Gams gut versorgt.

Während schwarzes Rehwild aufgrund seiner besonderen Färbung eine sehr beliebte Jagdbeute darstellt, lassen wohl die meisten Weidleute bei weißen Gämsen den Finger lieber gerade. Das Äußere gibt also den Ausschlag, wobei doch die inneren (Wildbret-)Werte viel mehr zählen sollten! So ungerecht geht es eben zu in der Welt.