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Meine Vorträge zum Buch Berghirsche ansprechen beginnen in der Regel für das Auditorium wohl ein wenig unerwartet mit einer kleinen Selbstläuterung: „Ich weiß, dass ich nichts weiß!“

Mir ist bewusst, dass ein Vortrag über das Ansprechen von Berghirschen völlig andere Erwartungen und Hoffnungen in uns Bergjägern weckt. Doch die Grundlage meines Werkes ist vor allem das Aufräumen mit Mythen hinsichtlich der gängigen Regeln zur Altersansprache von Rotwild, genauer gesagt der Altersansprache beim Berghirsch! Denn auch nach jahrzehntelanger Erfahrung mit der von mir so geliebten Wildart – sozusagen von Geburt an – ist mir an vielen Beispielen allzu deutlich vor Augen geführt worden, dass es keine hundertprozentige Sicherheit bei der Altersbestimmung am lebenden Rothirsch im Gebirge gibt! Es darf somit auch nicht verwundern, dass selbst der erfahrenste Rotwildexperte auch bei noch so gewissenhaftem Vorgehen unter Beachtung aller gängigen Regeln einem Fehlurteil unterliegen kann und es in der Folge zu einem Fehlabschuss kommen wird! Und letztlich ist die Konsequenz eines Fehlabschusses beim Rothirsch neben dem jagdlichen Ungemach auch mit der zukünftigen Einsparung und somit letztlich doch mit bedeutenden wirtschaftlichen Folgen verbunden. Daraus resultiert ein enorm hohes Maß an Verantwortung für den Pirschführer bzw. Schützen.

Selbstverständlich war diese grundlegende Erkenntnis, keine hundertprozentige Sicherheit zu haben, auch für mich als doch sehr guten Rotwildkenner mit großem Unbehagen verbunden! Im Gegenzug sind mir allerdings nach langjährigen Beobachtungen und Erfahrungen folgende beiden Punkte sehr deutlich bewusst geworden:

1) Der Rothirsch verhält sich im Großen und Ganzen sehr beständig und sucht im Laufe der Jahreszeiten seine gewählten Lebensräume auf, sofern Beunruhigung beziehungsweise Lebensraumverhältnisse etc. es zulassen.

Und 2) Ich bin in der Lage, den einzelnen Hirsch über Jahre hinweg wiederzuerkennen.

Voraussetzungen, um diese beiden Punkte festzustellen, waren zum einen die Möglichkeit, von Kindesbeinen an Anteil in hervorragenden Rotwildrevieren in Gasteins Bergen haben zu können und zum anderen ein wohl naturgegebenes Talent – verbunden mit großem Fanatismus –, einzelne Rothirsche optisch in Sekundenschnelle wiederzuerkennen.

Auf diesen beiden Prinzipien habe ich letztlich die Studie über die Altersansprache von Bergischen aufgebaut. Anhand von Fallbeispielen wurde die Entwicklung von einzelnen Hirschen unseres wunderschönen Bergreviers über Jahre fotografisch dokumentiert. Mit besonderem Stolz erfüllt mich die Tatsache, dass es mir gelungen ist, in meinem Buch einige zuletzt besonders betagte „Herren“ zu beschreiben. Durch erfolgreiches Drängen meiner Lektorin Frau Irmtraud Weishaupt-Orthofer vom Leopold Stocker Verlag und die Unterstützung von Herrn Ing. Martin Ossmann vom Anblick ist das Buch letztlich allerdings viel komplexer geworden, als es die ursprünglich von mir geplante Entwicklungsstudie einzelner Berghirsche hätte sein sollen. Für mich selbst stieg zwar der Arbeitsaufwand enorm, doch erst das Auseinandersetzen mit den Mythen der Ansprechkunst und das Aufzeigen des bestehenden Fehlerpotenzials bringen dem Leser den entscheidenden Mehrwert.

Auch das Behandeln und Erfassen von Merkmalen zur Wiedererkennung der einzelnen Hirsche gestaltete sich durchaus kompliziert, da für mich selbst das Wiedererkennen von Individuen meist im Zeitfenster eines Wimpernschlags sozusagen „von Gott gegeben“ stattfindet und ich dafür selbst noch niemals zuvor eine Erklärung gesucht habe. Jedenfalls denke ich, dass jeder die Faktoren, die zum sicheren Wiedererkennen einzelner Hirsche unabdingbar sind, auch erlernen kann und in weiterer Folge das Erlernte für den eigenen Bereich zu nutzen wissen wird. Natürlich ist das Erlernen der Kunst des Wiedererkennens mit einigem Arbeitsaufwand verbunden, doch für den fermen Rotwildjäger wird sich die Arbeit in jedem Fall lohnen.

Sehr eindeutige Merkmale zur Wiedererkennung sind zum Beispiel (falls vorhanden) Risse und Einkerbungen am Lauscher. (Foto A1) Wir jedenfalls haben eine unglaublich geringe Fehlerquote für unser Gebiet erreicht: In den letzten 15 Jahren kam es lediglich zu einem einzigen Fehlabschuss bei einer Gesamtsumme von ca. 60 erlegten Erntehirschen der Klasse 1. Der Altersdurchschnitt liegt hierbei deutlich über dem zwölften Kopf. Und auch jener Ausnahmefehler erwies sich den Umständen entsprechend als kaum zu vermeiden, da es sich bei dem betreffenden Stück um einen in die freie Wildbahn ausgesetzten Hirsch oder dessen Nachfahren handelte und dieser nicht einmal ansatzweise mit gängigen Regeln zur Altersansprache beurteilt werden konnte. Denn vom Korpus bis zum Geweih war dieser Hirsch unseren Berghirschen in jedem Belang nahezu abartig überlegen und er erfüllte trotz seiner Jugend speziell im Vergleich zu unseren reifen Berghirschen jedes gängige Alterskriterium. Einzig der Fakt, dass der Hirsch erst ein Jahr vor seiner Erlegung aufgefallen war und aus dem Nichts aufgetaucht zu sein schien, hätte uns „spanisch“ vorkommen müssen, wenngleich ein Hirsch selbstverständlich auch hätte zuwandern können und wir damals auch von Zuwanderung ausgegangen sind. Aber die Jagd an sich ist kein Wunschkonzert und so führt die ab und an unangenehme Realität zu neuen Erkenntnissen bzw. einem größeren Erfahrungsschatz. Natürlich erhöhen solche Ereignisse auch das zukünftige Maß an Vorsicht und den Willen zum präziseren Arbeiten dementsprechend. Gerade bei Hirschen, die entweder direkt zur Blutauffrischung ausgewildert wurden oder Nachkommen solcher Individuen, greifen Regeln zur Altersansprache unserer natürlich vorkommenden Berghirsche keinesfalls!

Aber auch sonst ist die Fehlerquote hinsichtlich der Altersansprache wie zuvor erwähnt in der Regel enorm. Wahrscheinlich haben wir Jäger bezüglich der Kunst des Ansprechens deshalb so hohe Erwartungen, weil wir diese altersbedingten Entwicklungsphasen bei uns Menschen selbst relativ gut beobachten können. Dabei führt allein der unterschiedliche „Hirschtyp“ schon zu Verwirrung. Aber auch andere, dem natürlichen Altern unterworfene Veränderungen verlaufen beim Berghirsch eben oft nicht so eindeutig, wie wir uns das als bemühte Bergjäger wünschen würden.

Manch ein Hirsch behält zum Beispiel Zeit seines Lebens eine angeborene dunkle Färbung des Hauptes, die niemals zu einem auf ein höheres Alter hinweisenden Grau oder gar zum alles bestätigenden Weiß wird. (Foto A2)

Andere Hirsche wiederum behalten bis ins hohe Alter auffällig hohe Rosenstöcke bei. Während der eine Hirsch zur muskulösen, kräftigen Statur neigt bzw. einen reifen Eindruck erweckt (Foto A3), zeigt der andere in allen Lebensabschnitten ein zierliches Gebäude. (Foto A4)

Auch ein ausgeprägter Widerrist kann zu einer Fehlbeurteilung führen. (Foto A5)

Freilich kommt es innerhalb der Biosphäre eines einzelnen Individuums zu altersbedingten Veränderungen, doch die Ausprägung gestaltet sich oft nicht eindeutig und äußerst unterschiedlich.

Als Beispiel möchte ich noch einmal zu Hirschen mit angeborenen hohen Rosenstöcken kommen. Ja, selbstverständlich nehmen die Rosenstöcke jedes Jahr durch den natürlichen Entwicklungszyklus der Geweihbildung an Höhe ab. Dies ist beim Abwerfen des Geweihs durch den Verlust der Kambialschichten zwangsläufig unabdingbar. Das heißt, auch bei einem Hirsch mit ausgesprochen hohen Rosenstöcken nimmt die Höhe jedes Jahr entsprechend ab, jedoch bleibt der Eindruck von hohen Rosenstöcken bis zum natürlichen Lebensende für den Beobachter bestehen. Bei den Augsprossen verhält es sich so ähnlich. Es gibt junge Hirsche, die von jeher lange, aufgebogene Augsprossen zeigen und wiederum alte Hirsche, die niemals lange Augsprossen bekommen werden. (Foto A6)

Die Vielfalt der Variationen und individuenspezifischen Besonderheiten sind beim Hirsch – gleich wie bei uns Menschen – schlichtweg mannigfaltig, für uns Menschen aber viel schwerer zu lesen. Übrigens: Auch beim Rehwild gibt es Studien, welche aufzeigen, dass keine einzige Regel bzw. kein Merkmal zur Altersansprache eine hundertprozentige Sicherheit hinsichtlich des Alters bringt.

Hegemeister Mag. Andreas Hörtnagl

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